Drei Irre Unterm Flachdach
wissen, daß die Stunden meiner Qual überwacht wurden. Vater ließ sich nicht aus der Ruhe bri n gen. Wir zogen bis zum bitteren Ende durch.
Einmal brannte mein Hintern wie verrückt. Das Brennen wurde immer schlimmer. Ich jammerte und rutschte auf dem Kl a vierhocker hin und her. Als der Unterricht vorbei war, zeigte ich meinen Po. Er war knallrot und mit dicken Quaddeln übersät. Ich hatte mich beim Versteckspiel in einen Ame i senhaufen gesetzt. Vater erschrak und entschuldigte sich. So einen geschwollenen Hintern hatte er noch nie in seinem L e ben gesehen. Was machte man da bloß? Gustav war außer sich vor Wut. »Was willst du sein, du mieser Lump? Pädagoge? KZ-Methoden sind das! Da war ja wohl das ganze Studium in Moskau u m sonst!«
Friedrich kam nicht mehr oft zum Klavierüben. Er hatte das hohe Ziel, aus mir eine Meisterschülerin zu machen, aufg e geben. Großvater triumphierte, und ich mußte nicht mehr zu dem Trüffel, der hochbegabte Kinder für Bach-Wettbewerbe trim m te. Der Traum war aus. Plötzlich war ich nicht mehr begabt, von einem Tag auf den andern. Ich ging jetzt in eine ganz normale Musikschule, die an Feiert a gen geschlossen war.
Kurz nach dem Ameisenvorfall sollte ich in Vaters Ba l lettschule eine Etüde spielen. Während eines Festaktes, vor allen Lehrern und Schülern. Nach den ersten zwei Ta k ten klappte ich die Noten zu und setzte mich wieder auf meinen Platz in der ersten Reihe. Ich hatte mich verspielt. Vater lächelte verlegen und improvisierte einen Wortbeitrag. Es war mein letzter öffentlicher Auftritt am Kl a vier.
Friedrich hatte immer weniger Zeit für mich und meine Erziehung, was Gu s tav außerordentlich gut gefiel. Nun konnte er dem Kinderschreck auch noch vorwerfen, daß er mich ve r nachlässigte. Großmutter hatte im Ga r ten und beim DFD zu tun, und Mutter bastelte weiter an ihrer Karriere. Ich hatte gerade mein erstes L e bensjahrzehnt beendet und konnte endlich wieder tun und lassen, was ich wollte.
Als erstes besorgte ich uns einen Schäferhund, was in Blankenburg kein Problem war. Es gab ma s senhaft Hundezüchter in unserm Ort. Bei Schobers in der Kiebitzgasse wurden Schäferhu n de gezüchtet. Dort meldete ich uns für den nächsten Wurf an.
Großvater fand die Idee gut. Er meinte, dann hätten wir endlich einen Wac h hund. Als erstes baute er einen Zwinger, direkt unter meinem Fenster. So konnte ich Mops immer sehen. Am Anfang war er ein schwarzes Wollknäuel mit braunen Knopfaugen, einem Schlappohr und großen weichen Pfoten.
Ich erzog ihn, solange er niedlich war, dann übernahm Großvater. Doch i r gendwas haute nicht hin. Je größer Mops wurde, desto wichtiger wurde der Zwinger, den wir anfangs für überflüssig gehalten hatten. Mops war nicht zu bändigen. Man konnte ihn erziehen, wie man wollte.
Mops riß aus. Mit einem Satz war er über den Maschendrahtzaun und galoppierte in Richtung Straße. Großvater galo p pierte hinterher, aber Mops war längst über alle Berge. Wenn Mops wiederkam, gab es fürchterliche Dresche. Schrec k lich, er wußte ja nicht, was er falsch gemacht hatte! Aber Großvater war von den Prügelarien nicht abzubringen. »Nur so lernt der Hund, daß er nicht au s reißen darf!« postulierte er und versetzte Mops einen weiteren Hieb mit dem »Neuen Deutschland«. Mops büxte wieder aus. Großvater baute ein Hol z dach auf den Zwinger. Jetzt sah der Hundezwinger aus wie ein Raubtie r käfig, und Mops konnte nicht mehr an meinem Fenster hochspringen. Dafür war er um so unbezähmb a rer, wenn man ihn in die Freiheit entließ. Man durfte keine Angst vor ihm haben, sonst war man hoffnungslos verloren.
Einmal wollten wir alle zusammen verreisen, Gustav, Wilma, Püppchen und ich. Frau Schrader von gegenüber bot sich an, mit Mops Gassi zu gehen. Sie meinte, sie würde schon klarkommen. Wir überlegten nicht lange und nahmen das Angebot an. Mit schlechtem Gewissen fuhren wir in den U r laub.
Als wir zurückkamen, verlief durch den Schnee in unserm Garten eine rätse l hafte Spur, wie von einer Planierraupe. Großvater bekam einen Anfall und we t terte: »Die Schweine wollen uns plattwalzen!« Welche Schweine er meinte, ve r riet er nicht.
Am Nachmittag brachte Frau Schrader den Zwingerschlüssel zurück. Sie sah stark verändert aus. Statt der roten Bäckchen hatte sie jetzt grüne und blaue Stellen im Gesicht. Wie sich rausstellte, hatte Mops mit Frau Schrader Ball g e spielt. Er war an ihr hochg e sprungen, hatte sie
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