Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Drei Irre Unterm Flachdach

Drei Irre Unterm Flachdach

Titel: Drei Irre Unterm Flachdach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastienne Voss
Vom Netzwerk:
auf, ich rannte von einem Zi m mer ins andere, Großmutter hinter mir her. Wir spielten Fangen, bis wir nicht mehr konnten und vor Lachen zusa m menbrachen.
    Eines Sommertags b e suchte uns ein berühmter Schauspieler. Mutter hatte ihn in Moskau kennengelernt und bei Champagner und Kaviar gejammert: »Zweitausend Quadra t meter Rasen! Stell dir das mal vor! Und dann die Hitze! Mein alter Vater schafft das alleine nicht mehr.« Püppchen hatte noch einen ausgeg e ben, dreimal mit den Wimpern geklimpert, und schon stand der berühmte Schauspieler breitbeinig, mit entschlossenem Blick und aufgekrempelten Ä r meln, die Fäuste in die Hüften gestemmt, auf unserer Wiese, bereit zum Mähen. Er sah aus wie ein Arbeiterdenkmal. Großvater schüttelte dem Denkmal freun d lich die Hand, aber den Rasenmäher rückte er nicht raus. Er faselte irgendwas von Kabelbruch und drückte dem Schauspieler eine Sense in die Hand. »Zwe i tausend Quadratmeter mit ’ner Sense? Wollen Sie mich veralbern?« »Ich, ich, ich weiß auch nicht, was er hat«, stammelte Püppchen und klimperte diesmal nervös mit den Wi m pern. Der berühmte Schauspieler war böse. Er warf die rostige Sense weg und besuchte uns nie wieder.
    Am nächsten Tag holte Großvater den Rasenmäher aus der Garage. Er war völlig in Ordnung. »Was sollte das denn gestern, hm?« Mutter war sauer. »R a senmäher verborgt man nicht. Dieser Schauspieler hätte ihn nur k a putt gemacht! Für die Sense war er sich wohl zu schade, was?« Püppchen verschlug es die Sprache.
    Großvater brachte Stunden damit zu, krumme Nägel wieder geradezuschl a gen. Er sammelte sie in einem Schraubglas. Jedes alte Brett oder Hol z stück wurde sorgfältig geprüft. Er klopfte mit einem Hammer dagegen und hielt sein Ohr d a ran. Wenn das Holz »klang«, war es »noch gut« und wurde verwendet. Wenig später stellte sich raus, daß das Holz doch nicht mehr gut war. Es war verfault, von Würmern zerfressen. Neues wurde g e kauft, und die ganze Arbeit fing von vorne an. Papier wurde grundsätzlich auf beiden Seiten beschrieben. Großvater hatte seine Schmierpapiersammlung gleichmäßig über die ganze Wohnung ve r teilt. In der Küche, neben dem Telefon, im Korridor, auf dem Kl a vier und auf dem Büfett im Wohnzimmer, überall lag stapelweise Schmierp a pier. Wenn ich ein Bild malen wollte, bekam ich Schmierpapier. Ich wünschte mir, ein einziges Mal ein unbeschriebenes Blatt b e malen zu dürfen.
    Außer Ochsenschwanzsuppe, Geflügel und Nordseekrabben liebte Großvater halbe Eier in Aspik und Schweinekopfsülze. Die Schweinekopfsülze machte er selber. Die beiden Zwi l lingsonkel aus Pforzheim, Volker und Walter, aßen Gu s tavs Sülze gern. Wenn sie zu Besuch waren, gab es frische Schweinekopfsülze und als Sahnehäubchen halbe Eier in Aspik. Großvater schlurfte mit der Sülz e schüssel durch die Gegend und hielt sie jedem unter die N a se. Er gab sie nicht aus der Hand, bis der Tisch fertig gedeckt war. Dann stellte er sie neben seinen Teller, wo schon die halben Eier warteten, tat sich dicke Batzen Sülze auf und fing an zu tafeln. »Vortrefflich! Glaubt ihr gar nicht! Ausgezeichnet!« Wir saßen stumm um den Tisch herum und sahen auf unsere leeren Teller. Besonders Vo l ker und Walter litten. Sie hatten sich so auf die Sülze gefreut. Wenn Gustav genug hatte, durften wir uns auch was nehmen. Er reichte großzügig die Schüssel we i ter, in der für jeden gerade noch ein Stück zum Kosten war.
    Wenn es Geflügel gab, mußte Großmutter auf den Stiez, nach dem sie ganz verrückt war, verzichten. Gustav bestand darauf. Den Stiez ein einziges Mal se i nem Frauchen zu überlassen kam überhaupt nicht in die Tüte. Schmatzend ve r putzte er ihn, ohne von Wilma, die gierig auf seinen Teller schielte, auch nur die geringste Notiz zu nehmen.
    Im KZ konnte er teilen, danach nicht mehr. Mit Wilhelm freundete ich mich schnell an. Wir haben manches Stück Brot und manche Zigarette miteinander g e teilt.
    Als Großvater gestorben war, übernahm Großmutter das Herstellen der Schweinekopfsülze. Neuerdings standen, wenn Onkel Volker und Onkel Walter kamen, auf dem Tisch zwei riesige Schüsseln. »Ick hab zweie j e macht, damit es auch für Volker und Walter reicht«, sagte sie stolz und schnitt die Sülze wie eine Torte in Stücke. Wegen Großmutters Sülzetrauma aßen wir nun tagelang nichts and e res als Schweinekopfsülze.
    Gustavs Sparsamkeit nahm groteske Formen an. Er weigerte sich, für Mops die

Weitere Kostenlose Bücher