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Drei Irre Unterm Flachdach

Drei Irre Unterm Flachdach

Titel: Drei Irre Unterm Flachdach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastienne Voss
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und daß Herr Donner j e den lag und bei jedem Wetter früh um fünf Uhr angeln ging, hatte ihr schon immer imponiert. Doch nach näherem Ke n nenlernen fand sie den »Donner öde« und die »Angelei albern« und ging wieder ins Ballhaus.
    Großmutter hatte für alles eine Strategie. Mein kleiner Bruder wollte, daß sie schwimmen lernte. »Los, Oma, wir haben doch einen Swimmin g pool!« Wilma hatte keine Lust, sie war das ganze Leben prima ohne Schwimmen ausgeko m men. Max weinte und bettelte. »Bitte, bitte, Oma! Wenn du schwimmen kannst, können wir auch mal mit dir zur Ostsee fahren!« Eines Tages sagte Gro ß mutter: »Gut, morgen fangen wir an.« Die beiden übten zwei W o chen lang, jeden Tag eine Stunde. Dann sollten wir uns das Ergebnis ansehen. Max machte eine Bo m be, Wilma kletterte die Leiter runter. Sie schwammen los, und wir feuerten sie an. Nach zwei Bahnen sagte Max glücklich: »Ganz toll, Oma, so ist es schon sehr gut! Jetzt darfst du nur nicht mehr unten mi t laufen!«
    Genau zu der Zeit, als ich eine Ausbildung zur HNO-Audiologieassistentin am Universitätsklinikum Steglitz machte, bekam Großmutter Hörprobleme: »Ick verstehe neue r dings so schlecht, kannste mir nich mal einen Termin bei deinem Professor machen?« Konnte ich. Die Sprechstunden des Pr o fessors waren auf ein halbes Jahr im voraus ausgebucht, aber er schob Großmutter irgendwie dazw i schen. Wir fuhren nach Steglitz. Während der Autofahrt versuchte ich rausz u kriegen, welcher Art ihre Schwerhörigkeit war, aber sie wollte mir nichts sagen: »Laß mal, dit verstehste sowieso nich, erzähl ick nachher allet dem Pr o fessor.«
    »Na, was fehlt Ihnen denn, Frau Voss?« Der Professor lächelte und klopfte Großmutter auf die Schulter, als würde man sich schon lange kennen. Als ich sah, wie sehr sie die unverhoffte Nähe g e noß, wußte ich es. Gleich würde sie »mein Süßer« zu ihm sagen. »Also, mein Süßer«, zirpte Großmutter und ließ sich auf die Pritsche fallen wie auf unser Sofa. »Folgendermaßen. Wenn ick mir die Finger in die Ohren stecke«, sie steckte sich die Finger in die Ohren, »dann hör ick plötzlich nüscht mehr!« Mir wurde übel. Das konnte doch wohl nicht wahr sein! Der Professor lachte. »Na, Sie haben Humor, das geht mir eh r lich gesagt genauso. Aber nun mal Spaß beiseite, was fehlt Ihnen denn wirklich?« »Nichts weiter. Das isses«, sagte Wilma Voss und grinste, während sie erst zu mir, dann zum Professor schielte. Noch nie zuvor in meinem Leben hatte ich mir eine Oh n macht gewünscht.
    Der Professor brach als erster das peinliche Schweigen, das anstelle meiner Ohnmacht eintrat. Er sagte: »Gut, aha, dann werden wir Ihre Ohren mal o r dentlich durchspülen, manchmal hilft das ja schon.« Ich verließ fluch t artig das Sprechzimmer. Draußen fühlte ich meinen Puls, er raste. Was machte diese Ve r rückte mit mir? Ich war zwanzig und kam mir vor wie vor zehn Jahren an der Käsetheke, als Großmutter der Verkäuferin den blöden Schlüpferwitz e r zählt hatte.
    Meine Scham verwandelte sich in Wut. Noch auf dem Kl i nikgelände brüllte ich Wilma an. »Was fällt dir ein? Bist du besche u ert? Du kannst doch nicht ...« »Zwei Pfropfen! Er hat zwei Pfropfen rausgespült, doll, was?« »Aber dafür hättest du keinen Profe s sor gebraucht! Für zwei Pfropfen! Das ist absolut lächerlich! Du hast alles versaut mit deinen Scheißpfropfen! Und wenn du taub wirst, nie wi e der, das schwöre ich dir, nie wieder besorge ich dir einen Termin beim Ohre n arzt! Bei diesem nicht und bei keinem andern auf der Welt. Merk dir das!« Wir fuhren auf der Stadtaut o bahn Richtung Norden. Es tat gut, daß Großmutter schwieg. Für einen derart peinlichen Vorfall gab es wirklich keine Entschu l digung. Plötzlich sah sie mich triumphierend an. »Mensch, nu mach doch nich so’n Theater. Ick wollte ihn kennenlernen.« »Wen, was, wie, kenne n lernen? Was soll denn das heißen?« »Na, deinen Professor. Sehr netter Mann, wirklich, sehr nett. Wäre wat für mich jewesen! Aber daß er noch so jung is, dit hättste mir wirklich sagen können, dann wär uns der ganze Quatsch erspart jebli e ben.«

 
    Spätfolgen
     
    Mitte der Neunziger war ich immer noch allein. Alle meine Freunde waren ang e kommen im Westen, ich zog nach wie vor mit Großmutter über den Scheiß-Kapitalismus her. Jeden Sonntag fuhr ich nach Blankenburg, und wir fluchten, daß sich das Flachdach bog: »Jetzt haben die wieder ’nen Betrieb

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