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Drei Kameraden

Drei Kameraden

Titel: Drei Kameraden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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schwarze, zerkaute Brasil zwischen den Zähnen rollend, ohne Rock, mit aufgekrempelten Hemdsärmeln hinter einem der Pulte und notierte die Einsätze. Sein Hemd war von intensivstem Violett.
     Zu meinem Erstaunen herrschte mächtiger Betrieb. Es waren fast nur kleine Leute da, Handwerker, Arbeiter, kleine Beamte, ein paar Huren und Zuhälter. Gleich an der Tür hielt uns ein Mann mit schmutzigen grauen Gamaschen, grauer Melone und abgerissenem grauem Gehrock fest. »Von Bieling, Tips, die Herren? Todsicher!«
     »Auf dem Mond«, erwiderte Gustav, der in dem Laden plötzlich ein ganz anderes Gesicht bekam.
     »Nur fünfzig Pfennig«, drängte Bieling. »Kenne die Trainer persönlich. Von früher«, setzte er auf einen Blick von mir hinzu.
     Gustav studierte bereits die Rennlisten. »Wann kommt Auteuil 'raus?« rief er zur Theke hinüber.
     »Fünf Uhr«, quakte der Gehilfe.
     »Philomene, bombiges Luder«, brummte Gustav. »Staatsgaul bei tiefem Geläuf.« Er schwitzte bereits vor Aufregung. »Was ist das nächste?« fragte er.
     »Hoppegarten«, sagte jemand neben ihm.
     Gustav studierte wieder. »Wir setzen als Anfang jeder zwei
    Eier auf Tristan, Sieg«, erklärte er mir.
    »Hast du denn eine Ahnung davon?« fragte ich.
    »Ahnung? Ich kenne jeden Pferdehuf.«
     »Und dann setzen Sie auf Tristan?« sagte jemand neben uns. »Fleißiges Lieschen, Mann, die einzige Chance! Ich kenne Johnny Burns persönlich.«
     »Und ich«, gab Gustav zurück, »bin der Besitzer des Stalles Fleißiges Lieschen selber. Ich weiß es noch besser.«
     Er rief unsere Sätze dem Mann am Pult zu. Wir erhielten einen Zettel und setzten uns vorn in das Lokal, wo ein paar Tische und Stühle standen. Neben uns schwirrten alle möglichen Namen durch die Luft. Ein paar Arbeiter diskutierten über Rennpferde in Nizza, zwei Postschaffner studierten den Wetterbericht aus Paris, und ein Kutscher renommierte mit seinen Zeiten als Trabrennfahrer. Nur ein dicker Mann mit hochstehenden Haaren saß teilnahmslos an seinem Tisch und aß ein Brötchen nach dem andern. Zwei andere lehnten an der Wand und sahen gierig zu. Sie hatten jeder ein Ticket in den Händen, aber ihre Gesichter waren so eingefallen, als hätten sie seit Tagen nichts gegessen.
     Das Telefon schrillte. Alles spitzte die Ohren. Der Gehilfe rief die Namen aus. Von Tristan war weit und breit nichts zu hören. »Verdammt«, sagte Gustav und lief rot an, »Salomon hat's gemacht. Wer hätte das gedacht, Sie etwa?« fragte er ärgerlich das Fleißige Lieschen. »Sie waren auch unter: ferner liefen...«
     Von Bieling erschien zwischen uns. »Meine Herrschaften, hätten Sie auf mich gehört – Salomon hätte ich Ihnen gesagt! Nur Salomon! Wollen Sie zum nächsten Rennen?«
     Gustav hörte gar nicht hin. Er hatte sich beruhigt und war mit dem Fleißigen Lieschen in ein Fachgespräch verwickelt.
     »Verstehen Sie was von Pferden?« fragte Bieling mich.
    »Nichts«, sagte ich.
     »Dann setzen Sie! Setzen Sie! Aber nur heute«, fügte er flüsternd hinzu, »und nie wieder. Hören Sie auf mich. Setzen Sie – es ist ganz egal – König Lear oder Silbermotte – vielleicht auch L'heure bleue. Ich will nichts verdienen. Geben Sie mir nur etwas, wenn Sie gewinnen.« Er zitterte mit dem Kinn vor Spielleidenschaft. Ich kannte die Regel vom Poker her: Anfänger gewannen oft. »Schön«, sagte ich, »worauf?«
     »Was Sie wollen – was Sie wollen...«
     »L'heure bleue klingt nicht häßlich«, sagte ich, »also zehn Mark auf L'heure bleue.«
     »Bist du verrückt?« fragte Gustav.
     »Nein«, sagte ich.
     »Zehn Eier auf diesen Kracher, aus dem sie schon längst Wurst hätten machen müssen?«
     Das Fleißige Lieschen, das eben Gustav noch einen Abdecker genannt hatte, stimmte mit vollen Backen ein. »So was! Laeure blaeue setzt der! Das ist eine Kuh und kein Pferd, Herr! Maientraum vernascht den auf zwei Beinen, wie er will! Sieg?«
     Bieling sah mich beschwörend an und machte mir Zeichen.
     »Sieg«, sagte ich.
     »Laß dir begraben«, grunzte das Fleißige Lieschen verächtlich.
     »Mensch!« Auch Gustav sah mich an, als ob ich mich in einen Hottentotten verwandelt hätte. »Gipsy II, das weiß doch ein Säugling im Mutterleib schon.«
     »Ich bleibe bei meiner L'heure bleue«, erklärte ich. Es wäre gegen alle geheimen Glücksrittergesetze gewesen, jetzt noch
    zu wechseln.
     Der Mann mit dem lila Hemd übergab mir meinen Zettel. Gustav und das Fleißige Lieschen

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