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Drei Kameraden

Drei Kameraden

Titel: Drei Kameraden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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zurück.
     »Nicht mehr da«, sagte er.
     Ich stand auf und blickte durch den Saal. Köster hatte
    recht.
     »Glaubst du, daß er mich erkannt hat?« fragte ich.
     Köster zuckte die Achseln. Er bemerkte jetzt erst die
    Papiermütze auf seinem Kopf und streifte sie ab. »Ich verstehe das nicht«, sagte ich. »Ich bin doch höchstens ein, zwei Minuten im Waschraum gewesen.«
     »Du warst über eine Viertelstunde weg.«
     »Was?« Ich sah noch einmal zu dem Tisch hinüber. »Die
    andern sind auch weg. Da war noch ein Mädchen mit ihnen, das ist auch nicht mehr da. Wenn er mich erkannt hätte, wäre er doch bestimmt allein verschwunden.«
     Köster winkte dem Kellner. »Gibt es hier noch einen zweiten Ausgang?«
     »Ja, drüben, auf der andern Seite, nach der Hardenbergstraße.«
     Köster zog ein Geldstück aus der Tasche und gab es dem Kellner. »Komm«, sagte er.
     »Schade«, sagte das blonde Mädchen am Nebentisch und lächelte. »So ernste Kavaliere.«
     Der Wind draußen schlug uns entgegen. Er schien eisig zu sein nach dem heißen Qualm des Cafes. »Geh nach Hause«, sagte Köster.
     »Es waren mehrere«, erwiderte ich und stieg zu ihm ein.
     Der Wagen schoß los. Wir kämmten rund um das Café sämtliche Straßen durch, immer weiter, aber wir sahen nichts. Endlich hielt Köster an. »Entwischt«, sagte er. »Aber das macht nichts. Wir werden ihn jetzt irgendwann kriegen.«
     »Otto«, sagte ich. »Wir sollten es lassen.«
     Er sah mich an. »Gottfried ist tot«, sagte ich und wunderte
    mich selbst darüber, was ich redete. »Er wird nicht wieder lebendig davon.«
     Köster sah mich immer noch an. »Robby«, erwiderte er langsam, »ich weiß nicht mehr, wieviel Menschen ich getötet habe. Aber ich weiß noch, wie ich einen jungen Engländer abgeschossen habe. Er hatte eine Ladehemmung und konnte nichts mehr machen. Ich war mit meiner Maschine ein paar Meter hinter ihm und sah sein erschrockenes, kindliches Gesicht mit der Angst in den Augen ganz genau, es war sein erster Flug, das stellten wir nachher fest, und er war knapp achtzehn Jahre alt, und in dieses erschrockene, hilflose, hübsche Kindergesicht habe ich auf ein paar Meter Entfernung eine Garbe mit meinem Maschinengewehr gejagt, daß der Schädel platzte wie ein Hühnerei. Ich kannte den Jungen nicht, und er hatte mir nichts getan. Es hat damals länger gedauert als sonst, bis ich darüber weggekommen bin und bis ich mein Gewissen zugestampft hatte mit diesem verdammten: Krieg ist Krieg. Aber ich sage dir, wenn ich den, der Gottfried umgebracht hat, der ihn wie einen Hund niedergeschossen hat ohne Grund, nicht auch umbringe, dann war das mit dem Engländer ein furchtbares Verbrechen, verstehst du das?«
     »Ja«, sagte ich.
     »Und jetzt geh nach Hause. Ich muß sehen, daß es zu Ende kommt. Es ist wie eine Mauer. Ich kann nicht weiter, ehe sie nicht weg ist.«
     »Ich gehe nicht nach Hause, Otto. Wenn es so ist, wollen wir zusammenbleiben.«
     »Unsinn«, sagte er ungeduldig. »Ich kann dich nicht brauchen.« Er hob die Hand, als er sah, daß ich reden wollte. »Ich werde schon aufpassen! Ich werde ihn allein treffen, ohne die andern, ganz allein! Hab keine Angst.«
     Er schob mich ungeduldig vom Sitz und raste sofort davon. Ich wußte, daß ihn nichts mehr aufhalten konnte. Ich wußte auch, weshalb er mich nicht mitgenommen hatte. Wegen Pat. Gottfried hätte er mitgenommen.

     Ich ging zu Alfons. Er war der einzige, mit dem ich sprechen konnte. Ich wollte mit ihm beraten, ob wir etwas tun könnten. Aber Alfons war nicht da. Ein verschlafenes Mädchen sagte mir, er sei vor einer Stunde zu einer Versammlung gegangen. Ich setzte mich an einen Tisch, um zu warten.
     Das Lokal war leer. Nur eine kleine Birne brannte über dem Schanktisch. Das Mädchen hatte sich wieder hingesetzt und schlief weiter. Ich dachte an Otto und an Gottfried, ich blickte aus dem Fenster auf die Straße, die jetzt vom langsam über die Dächer steigenden Vollmond erhellt wurde, ich dachte an das Grab mit dem schwarzen Holzkreuz und dem Stahlhelm darüber, und plötzlich merkte ich, daß ich weinte. Ich wischte die Tropfen weg. Nach einiger Zeit hörte ich rasche, leise Schritte im Hause. Die Tür, die zum Hof führte, öffnete sich, und Alfons trat herein. Sein Gesicht glänzte von Schweiß.
     »Ich bin's, Alfons«, sagte ich.
     »Komm her, rasch!«
     Ich folgte ihm in das Zimmer rechts hinter dem Schankraum. Alfons ging an einen Schrank und holte zwei

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