Drei Kameraden
eisengraue, große Himmel, gegen den die Stadt ihr Licht warf.
Das Mädchen saß schweigend neben mir; Helligkeit und Schatten glitten durch das Fenster über ihr Gesicht. Ich sah manchmal zu ihr hinüber; sie erinnerte mich jetzt wieder an den Abend, wo ich sie zum erstenmal gesehen hatte. Ihr Gesicht war ernster geworden, es erschien fremder als vorher, aber sehr schön – es war das Gesicht, das mich damals angerührt und nicht losgelassen hatte. Mir schien, als wäre etwas von dem Geheimnis der Stille darin, das die Dinge haben, die der Natur nahe sind – Bäume, Wolken, Tiere – und manchmal eine Frau.
Wir kamen in die ruhigen Straßen der Vororte. Der Wind wurde stärker. Er schien die Nacht vor sich her zu treiben. An einem großen Platz, um den rundherum kleine Häuser in kleinen Gärten schliefen, hielt ich den Wagen an.
Patrice Hollmann machte eine Bewegung, als erwache sie.
»Schön ist das«, sagte sie nach einer Weile. »Wenn ich einen Wagen hätte, würde ich jeden Abend so langsam herumfahren. Es hat etwas Unwirkliches, so lautlos überall vorüberzugleiten.
Man ist wach und träumt zur selben Zeit. Ich kann mir denken, daß man keine Menschen mehr brauchte, abends...«
Ich zog ein Päckchen Zigaretten aus der Tasche. »Abends braucht man welche, was?«
Sie nickte. »Abends schon. Das ist eine sonderbare Sache, wenn es dunkel wird.«
Ich riß das Päckchen auf. »Es sind amerikanische Zigaretten. Mögen Sie die?«
»Ja. Lieber als andere sogar.«
Ich gab ihr Feuer. Einen Augenblick beleuchtete das warme, nahe Licht des Streichholzes ihr Gesicht und meine Hände, und ich hatte plötzlich den verrückten Gedanken, als gehörten wir seit langem zusammen.
Ich drehte das Fenster herunter, damit der Rauch abziehen konnte.
»Wollen Sie jetzt etwas fahren?« fragte ich. »Es macht Ihnen doch sicher Spaß.«
Sie wendete sich mir zu. »Ich möchte schon; aber ich kann es nicht.«
»Wirklich nicht?«
»Nein. Ich habe es nie gelernt.«
Ich sah meine Chance. »Das hätte Binding Ihnen doch längst zeigen können«, sagte ich.
Sie lachte. »Binding ist viel zu verliebt in seinen Wagen. Der läßt niemand heran.«
»Das ist ja albern«, erklärte ich, vergnügt, dem Dicken eins auswischen zu können. »Ich lasse Sie ohne weiteres fahren. Kommen Sie.«
Ich schlug alle Mahnungen Kösters in den Wind und stieg aus, um sie ans Steuer zu lassen. Sie wurde aufgeregt. »Aber
ich kann wirklich nicht fahren.«
»Doch«, erwiderte ich. »Sie können es. Sie wissen es nur noch nicht.« Ich zeigte ihr, wie man schaltet und kuppelt. »So«, sagte ich dann, »und nun mal los!«
»Einen Moment!« Sie zeigte auf einen Omnibus, der einsam die Straße entlangschlich. »Wollen wir den nicht erst vorbeilassen?«
»Auf keinen Fall!« Ich schaltete rasch und ließ die Kupplung ein.
Sie hielt das Steuerrad krampfhaft fest und sah angespannt über die Straße. »Mein Gott, wir fahren ja viel zu schnell!«
Ich blickte auf den Tachometer. »Sie fahren jetzt genau fünfundzwanzig Kilometer. Das sind in Wirklichkeit zwanzig. Gutes Tempo für einen Langstreckenläufer.«
»Mir kommt's vor wie achtzig.«
Nach ein paar Minuten war die erste Angst überwunden. Wir fuhren eine breite, gerade Straße hinunter. Der Cadillac torkelte ein bißchen hin und her, als ob er statt Benzin Kognak im Tank hätte, und manchmal streifte er verdächtig nahe die Bordschwelle – aber allmählich ging es ganz gut, und es wurde so, wie ich es mir gedacht hatte: Ich bekam Übergewicht, weil wir plötzlich Lehrer und Schüler geworden waren, und das nutzte ich aus.
»Achtung«, sagte ich, »drüben steht ein Polizist!«
»Soll ich anhalten?«
»Dazu ist es jetzt zu spät.«
»Und was passiert, wenn er mich erwischt? Ich habe doch keinen Führerschein.«
»Dann kommen wir beide ins Gefängnis.«
»Um Gottes willen!« Sie suchte erschreckt mit dem Fuß die Bremse.
»Gas!« rief ich. »Gas! Feste drauftreten! Wir müssen stolz und schnell vorbei. Das beste Mittel gegen das Gesetz ist Frechheit.«
Der Polizist beachtete uns gar nicht. Das Mädchen atmete auf. »Ich wußte bis jetzt noch gar nicht, daß Verkehrspolizisten aussehen können wie feuerspeiende Drachen«, sagte sie, als wir ihn ein paar hundert Meter hinter uns hatten.
»Das tun sie erst, wenn man sie anfährt.« Ich zog langsam die Bremse. »So, hier haben wir eine prachtvolle, leere Seitenstraße. Hier
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