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Drei Kameraden

Drei Kameraden

Titel: Drei Kameraden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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erklärte Ferdinand, »der Schmuck Ihrer Gattin wird mitgemalt. Am besten ist, Sie bringen ihn mir einmal für eine Stunde her, damit er möglichst naturgetreu wird.«
     Der Bäcker wurde rot. »Ich habe ihn nicht mehr da. Er ist – ich habe ihn bei Verwandten.«
     »Ach so. Na, dann geht es auch so. Sah die Brosche ähnlich aus wie die auf dem Bilde drüben?«
     Der Bäcker nickte. »Nicht ganz so groß.«
     »Schön. Dann werden wir sie so machen. Die Kette brauchen wir ohnehin nicht. Perlen sehen ja alle ähnlich aus.«
     Der Bäcker atmete auf. »Und wann ist das Bild fertig?«
    »In sechs Wochen.«
    »Gut.«
    Der Bäcker verabschiedete sich.
    Ferdinand und ich saßen noch eine Weile allein im Atelier.
    »Sechs Wochen brauchst du dazu?« fragte ich.
     »Ach wo. Vier, fünf Tage; das kann ich dem aber doch nicht sagen, sonst rechnet er aus, was ich pro Stunde verdiene, und fühlt sich betrogen. Bei sechs Wochen ist er zufrieden. Ebenso wie bei der Prinzessin Borghese. Das ist die menschliche Natur, lieber Robby. Würde ich ihm sagen, es sei ein Nähmädchen, so wäre ihm sein Bild weniger wert. Es ist übrigens das sechstemal, daß verstorbene Frauen den gleichen Schmuck gehabt haben wie drüben auf dem Bild. So spielt der Zufall. Ein fabelhaft anregendes Reklamestück, das Porträt der guten Luise Wolff.«
     Ich sah mich um. Von den Wänden starrten aus unbeweglichen Gesichtern Augen herab, die längst im Grabe moderten. Es waren Bilder, die von den Angehörigen nicht abgenommen oder nicht bezahlt worden waren. Alles Menschen, die einmal gehofft und geatmet hatten. »Macht dich das hier nicht allmählich melancholisch, Ferdinand?«
     Er zuckte die Achseln. »Nein, höchstens zynisch. Melancholisch wird man, wenn man über das Leben nachdenkt – zynisch, wenn man sieht, wie die meisten damit fertig werden.«
     »Na, bei manchen geht's doch auch tiefer...«
     »Gewiß. Aber die lassen keine Bilder malen.«
     Er stand auf. »Ist auch ganz gut so, Robby, daß sie immer noch ihren wichtigen Kleinkram haben, der sie hält und schützt. Alleinsein – richtig Alleinsein, ohne jede Illusion –, das kommt kurz vor Wahnsinn und Selbstmord.«
     Der große kahle Raum schwamm im halben Dämmerlicht. Nebenan hörte man leise Schritte hin und her gehen. Es war die Haushälterin. Sie ließ sich nie sehen, wenn einer von uns da war. Sie haßte uns, weil sie glaubte, wir hetzten Grau gegen sie auf.
     Ich ging. Unten kam der Schwall und Lärm der Straße mir wie ein warmes Bad entgegen.

      11 Ich war unterwegs zu Pat. Es war das erstemal, daß ich sie besuchte. Bisher war sie immer nur bei mir gewesen, oder ich hatte sie vor ihrem Haus abgeholt, und wir waren irgendwohin gegangen. Aber das war stets so gewesen, als ob sie nur zu Besuch da war. Ich wollte mehr von ihr wissen. Ich wollte wissen, wie sie lebte.
     Mir fiel ein, daß ich ihr Blumen mitbringen könnte. Das war leicht; die städtischen Anlagen hinter dem Rummelplatz standen in voller Blüte. Ich sprang über das Gitter und begann einen weißen Fliederbusch zu plündern.
     »Was machen Sie da?« erscholl plötzlich eine markige Stimme. Ich sah auf. Ein Mann mit einem Burgundergesicht und aufgezwirbeltem weißen Schnurrbart starrte mich entrüstet an. Kein Polizist und kein Parkwächter. Höheres pensioniertes Militär, das erkannte man sofort.
     »Das ist doch nicht schwer festzustellen«, erwiderte ich höflich. »Ich breche hier Fliederzweige ab.«
     Dem Mann verschlug es einen Moment die Sprache. »Wissen Sie nicht, daß das städtische Anlagen sind?« knurrte er dann empört.
     Ich lachte. »Natürlich weiß ich das! Oder glauben Sie, ich hielte das hier für die Kanarischen Inseln?«
     Der Mann wurde blau. Ich fürchtete, der Schlag würde ihn treffen. »Sofort 'raus da, Kerl!« schrie er mit erstklassiger Kasernenhofstimme. »Sie vergreifen sich an städtischem Gut! Ich lasse Sie abführen!«
     Ich hatte inzwischen genug Flieder. »Dann fang mich mal, Großvater!« forderte ich den Alten auf, sprang nach der andern Seite übers Gitter und entschwand.
     Vor dem Hause Pats musterte ich noch einmal meinen Anzug. Dann stieg ich die Treppe hinauf und sah mich um. Das Haus war neu und modern gebaut – ein starker Gegensatz zu meiner verwohnten, pompösen Baracke. Die Treppen waren mit einem roten Läufer belegt; das gab es bei Mutter Zalewski auch nicht. Vom Fahrstuhl gar nicht zu reden.
     Pat wohnte im zweiten Stock. An der Tür war ein

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