Drei Kameraden
Pat ins Theater wollte. »Jawohl, ich!« sagte ich giftig. »Ihre Kombinationsgabe ist unübertrefflich, gnädige Frau...«
Sie sah mich an. Ein ganzes Gewitter von Gedanken ging über ihr dickes Gesicht. Es endete in einem breiten, mitwisserischen Schmunzeln. »Aha!« sagte sie. Und dann noch einmal: »Aha!« Und, schon draußen, über die Schulter hinweg, genießerisch und pfiffig, ganz verklärt, von der ewigen Freude der Frau bei solchen Entdeckungen: »So steht's also!«
»Ja, so steht's, verdammte Hebamme«, knurrte ich hinter ihr her, als ich sicher war, daß sie mich nicht mehr hörte. Dann schmiß ich wütend meine neuen Lackschuhe mitsamt dem Karton auf den Boden. Reicher Mann – als ob ich das nicht wüßte!
Ich holte Pat ab. Sie stand in ihrem Zimmer, fertig angezogen, und wartete schon. Es verschlug mir fast den Atem, als ich sie erblickte. Sie trug zum erstenmal, seit ich
sie kannte, ein Abendkleid.
Es war ein Kleid aus silbernem Brokat, das von den geraden Schultern schlank und weich herunterfiel. Es schien eng zu sein und war doch so weit, daß es die schönen langen Schritte Pats nicht hinderte. Vorne war es hochgeschlossen, aber der Rücken war tief in einem spitzen Winkel ausgeschnitten. In der matten blauen Dämmerung wirkte Pat darin wie eine silberne Fackel, jäh und überraschend verändert, festlich und sehr entfernt. Wie ein Schatten tauchte hinter ihr der Geist Frau Zalewskis mit hocherhobenem Finger auf.
»Gut, daß ich dich in dem Kleide nicht kennengelernt habe«, sagte ich. »Nie hätte ich mich an dich herangetraut.«
»Das glaube ich nicht so ohne weiteres, Robby.« Sie lächelte. »Gefällt es dir?«
»Es ist geradezu unheimlich! Du bist eine ganz neue Frau darin.«
»Das ist doch nicht unheimlich. Dazu sind Kleider doch da.«
»Mag sein. Mich schmettert es etwas nieder. Du müßtest dazu einen andern Mann haben. Einen Mann mit viel Geld.«
Sie lachte. »Männer mit viel Geld sind meistens scheußlich, Robby.«
»Aber Geld nicht, was?«
»Nein«, sagte sie, »Geld nicht.«
»Das dachte ich mir.«
»Findest du das denn nicht?«
»Doch«, sagte ich. »Geld macht zwar nicht glücklich – aber es beruhigt außerordentlich.«
»Es macht unabhängig, Liebling, das ist noch mehr. Aber wenn du willst, kann ich auch ein anderes Kleid anziehen.«
»Ausgeschlossen. Es ist prachtvoll. Von heute ab setze ich die Schneider über die Philosophen! Die Leute bringen Schönheit ins Leben. Das ist hundertmal mehr wert als klaftertiefe Gedanken! Paß auf, ich werde mich noch in dich verlieben!«
Sie lachte. Vorsichtig sah ich an mir herunter. Köster war etwas größer als ich, und ich hatte bei der Hose oben mit Sicherheitsnadeln arbeiten müssen, damit sie einigermaßen saß. Gottlob, sie saß.
Wir fuhren in einem Taxi zum Theater. Ich war unterwegs ziemlich schweigsam, ohne recht zu wissen, warum. Als wir ausstiegen und ich bezahlte, sah ich wie unter einem Zwang den Chauffeur an. Er hatte überwachte, rotgeränderte Augen, war unrasiert und sah sehr müde aus. Gleichgültig nahm er das Geld. »Gute Kasse heute gehabt?« fragte ich leise.
Er blickte auf. »Es geht«, sagte er abweisend. Er hielt mich für irgendeinen Neugierigen.
Einen Augenblick hatte ich das Gefühl, ich müßte mich zu ihm auf den Bock setzen und losfahren – dann drehte ich mich um. Da stand Pat, schmal und biegsam, über dem silbernen Kleid eine kurze silberne Jacke mit weiten Ärmeln, schön und erwartungsvoll. »Komm rasch, Robby, es fängt gleich an!«
Vor dem Eingang stauten sich die Leute. Es war eine große Premiere, das Theater war mit Scheinwerfern bestrahlt, Auto auf Auto glitt heran, Frauen in Abendkleidern stiegen aus, glitzernd von Schmuck, Männer in Fräcken, mit rosig ausgepolsterten Gesichtern, lachend, fröhlich, überlegen, unbedenklich – und knarrend und ächzend rumpelte dazwischen die Droschke mit dem müden Chauffeur davon.
»So komm doch, Robby!« rief Pat und sah mich strahlend und aufgeregt an. »Hast du etwas vergessen?«
Ich warf einen feindseligen Blick auf die Leute ringsum. »Nein –«, sagte ich, »ich habe nichts vergessen.«
Dann ging ich zur Kasse und tauschte die Billetts um. Ich nahm zwei Logenplätze, obschon sie ein Vermögen kosteten. Ich wollte nicht, daß Pat mitten unter diesen sicheren Leuten saß, denen alles selbstverständlich war. Ich wollte nicht, daß sie zu ihnen gehörte. Ich wollte mit ihr allein
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