Drei Männer im Schnee
Etage führten.
»Noch höher«, erklärte Schulze.
»Herr Kesselhuth will dem Tobler meine Arbeiten schicken«, berichtete Hagedorn. »Hoffentlich versteht der olle Millionär etwas von Reklame. Schrecklich, daß ich schon wieder davon anfange, was? Aber es geht mir nicht aus dem Kopf. Da rennt man sich in Berlin seit Jahren die Hacken schief. Fast jeden Tag wird man irgendwo anders abgewiesen. Dann kutschiert man in die Alpen.
Und kaum ist man dort, fragt einen ein wildfremder Herr, ob man im Toblerkonzern angestellt zu werden wünscht.«
»Ich werde die Daumen halten«, sagte der andere. Sie schritten den schmalen Korridor entlang.
»Ich möchte, wenn ich wieder Geld verdiene, mit meiner Mutter eine größere Reise machen«, erklärte Hagedorn. »Vielleicht an die oberitalienischen Seen. Sie kennt nur Swinemünde und den Harz.
Das ist für eine sechzig jährige Frau zu wenig, nicht?«
Das sei auch seine Meinung, entgegnete Schulze. Und während der junge Mann von den sieben gewonnenen Preisausschreiben und den damit verbundenen geographischen Erfahrungen erzählte, schloß der andere die Tür zu dem Dachstübchen auf. Er öffnete und machte Licht. Hagedorn blieben Stockholm und die Schären im Halse stecken. Er starrte verständnislos in die elende Kammer. Nach längerer Zeit sagte er: »Machen Sie keine Witze!«
»Treten Sie näher!« bat Schulze. »Setzen Sie sich, bitte, aufs Bett oder in die Waschschüssel! Was Ihnen lieber ist!«
Der andere klappte den Jackettkragen hoch und steckte die Hände in die Taschen.
»Kälte ist gesund«, meinte Schulze. »Schlimmstenfalls werde ich die Pantoffeln anbehalten, wenn ich schlafen gehe.«
Hagedorn blickte sich suchend um. »Nicht einmal ein Schrank ist da«, sagte er. »Können Sie sich das Ganze erklären? Mir gibt man ein feudales Appartement. Und Sie sperrt man in eine hundekalte Bodenkammer!«
»Es gibt eine einzige Erklärung«, behauptete Schulze. »Man hält Sie für einen andern! Irgendwer muß sich einen Scherz erlaubt haben.
Vielleicht hat er verbreitet, Sie seien der Thronfolger von Albanien.
Oder Sohn eines Multimillionärs.«
Hagedorn zeigte den Glanz auf den Ellenbogen seines Anzuges und hielt einen Fuß hoch, um das biblische Alter seiner Schuhe darzulegen. »Sehe ich so aus?«
»Gerade darum! Es gibt genug extravagante Personen unter denen, die sich Extravaganzen pekuniär leisten können.«
»Ich habe keinen Spleen«, sagte der junge Mann. »Ich bin kein Thronfolger und kein Millionär. Ich bin ein armes Luder. Meine Mutter war auf der Sparkasse, damit ich mir hier ein paar Glas Bier leisten kann.« Er schlug wütend auf den Tisch. »So! Und jetzt gehe ich zu dem Hoteldirektor und erzähle ihm, daß man ihn veralbert hat und daß ich sofort hier oben, neben Ihnen, eine ungeheizte Hundehütte zu beziehen wünsche!« Er war schon an der Tür.
Tobler sah sein eigenes Abenteuer in Gefahr. Er hielt den andern am Jackett fest und zwang ihn auf den einzigen Stuhl.
»Lieber Hagedorn, machen Sie keine Dummheiten! Davon, daß Sie neben mir eine Eisbude beziehen, haben wir alle beide nichts. Seien Sie gescheit! Bleiben Sie der geheimnisvolle Unbekannte! Behalten Sie Ihre Zimmer, damit ich weiß, wohin ich gehen soll, wenn mir’s hier oben zu kalt wird! Lassen Sie sich in drei Teufels Namen eine Flasche Kognak nach der andern bringen und eine ganze Ziegelei ins Bett legen! Was schadet es denn?«
»Schrecklich!« sagte der junge Mann. »Morgen früh kommt der Masseur.«
Schulze mußte lachen. »Massage ist gesund!«
»Ich weiß«, erwiderte Hagedorn. »Sie fördert die Durchblutung der Haut.« Er schlug sich vor die Stirn. »Und der Portier sammelt Briefmarken! Diese Mystifikation ist gewissenhaft durchdacht! Und ich Rindvieh bildete mir ein, die Leute hier seien von Natur aus nett.«
Er warf das Kuvert mit den Briefmarken beleidigt auf den Tisch.
Schulze prüfte den Inhalt fachmännisch und steckte das Kuvert ein.
»Ich habe eine großartige Idee«, sagte Hagedorn. »Sie beziehen meine Zimmer, und ich werde hier wohnen. Wir erzählen dem Direktor, er habe sich geirrt. Der Thronfolger von Albanien seien Sie! Ist das gut?«
»Nein«, erwiderte Schulze. »Für einen Thronfolger bin ich zu alt.«
»Es gibt auch alte Thronfolger«, wandte der junge Mann ein.
»Und den Millionär glaubt man mir erst recht nicht!« sagte Schulze.
»Stellen Sie sich das doch vor! Ich als Millionär! Lächerlich!«
»Sehr überzeugend würden Sie allerdings
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