Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Drei Männer im Schnee

Drei Männer im Schnee

Titel: Drei Männer im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kästner
Vom Netzwerk:
vorgelagert sind, und fuhren in einem ziemlich steilen Winkel in den Himmel empor. So oft sie einen der betonierten Riesenmasten passierten, schwankte der Kasten bedenklich, und einige der eleganten Sportsleute wurden unter der braunen Gesichtsfarbe blaß.
    Die Landschaft, auf die man hinunterblickte, wurde immer gewagter. Und der Horizont wich immer weiter zurück. Die Abgründe vertieften sich. Die Baumgrenze wurde überquert.
    Sturzbäche fielen an schroffen Felswänden hinab ins Ungewisse. Im Schnee sah man Wildspuren.
    Endlich, nach dem siebenten Pfeiler, waren die Abgründe überwunden. Die Erde kam wieder näher. Die Landschaft nahm, auf einer höheren Ebene, wieder gemäßigte Formen an. Und die sonnenüberglänzten, weißen Hänge wimmelten von Skifahrern.
    »Es sieht aus wie weißer Musselin mit schwarzen Tupfen«, sagte eine Frau. Die meisten Fahrgäste lachten. Aber sie hatte recht. Kurz darauf gab es einen letzten herzhaften Ruck, und die Endstation, zwölfhundert Meter über Bruckbeuren, war erreicht. Die Passagiere stolperten, von der Fahrt und der dünnen Luft benommen, ins Freie, bemächtigten sich ihrer Schneeschuhe, schulterten sie und kletterten zum Berghotel Wolkenstein hinauf, um von dort aus eine der gepriesenen fünfundvierzig Abfahrten in Angriff zu nehmen.
    Wohin man sah, zogen Schneeschuhkarawanen. Noch an den fernsten Steilhängen sausten winzige Skirudel zu Tale. Vor den Veranden des Hotels standen Touristen in Scharen und bohnerten ihre Bretteln, - denn hier oben hatte es nachts Neuschnee gegeben.
    Nur auf der großen hölzernen Sonnenterrasse ging es friedlich zu.
    Hier gab es lange Reihen von Liegestühlen.
    Und in diesen Liegestühlen schmorten eingeölte Gesichter und Unterarme.
    »Fünfzehn Grad unter Null«, sagte das eine Gesicht. »Und trotzdem kriegt man den Sonnenstich.«
    »Tun Sie, was Sie nicht lassen können«, erklärte ein anderes krebsrotes Gesicht.
    Schulze hielt seine Begleiter fest. »Meine Herren«, meinte er, »jetzt kaufen wir uns ein Fläschchen Nußöl, salben alles, was aus dem Anzug herausguckt, und pflanzen uns hin.«
    Hagedorn verschwand im Haus und besorgte Öl. Kesselhuth und Schulze annektierten drei Liegestühle. Dann fetteten sie sich ein und ließen sich rösten.
    »Der reinste Grill-Room«, behauptete Schulze.
    Wenn man die Augen halb öffnete, erblickte man unabsehbare Gipfelketten, in vielen Zackenreihen hintereinander geschichtet, und dort, wo sie mit dem Firmament zusammenstießen, blitzte, durch die gesenkten Wimpern, ein eisiges Feuerwerk aus Gletschern und Sonne. Eine Stunde hielten sie das Gebratenwerden aus, dann erhoben sie sich. Sie lobten wechselseitig ihre Hautfarbe, tranken Limonade und ergingen sich. Kesselhuth ließ sich von einem steinalten Fernrohrbesitzer die bekanntesten Berge zeigen und ruhte nicht, bis er Gemsen gesehen hatte. Es konnte auch ein Irrtum gewesen sein.
    Die unermüdliche Drahtseilbahn spie immer neue Skifahrer aus. Die schmalen, von hohen Schneemauern eingesäumten Wege waren belebter als die Straßen der Weltstädte. Und nachdem es einer schicken jungen Dame, die ihre Schneeschuhe geschultert trug, mit Hilfe einer unbedachten Wendung gelungen war, Herrn Schulze die Pudelmütze vom Kopf zu schlagen, gaben sie die Wanderung durch die Stille der Natur auf. Der Verkehr war lebensgefährlich. Als sie in den Wagen der Drahtseilbahn steigen wollten, stießen sie mit Frau Casparius zusammen. Sie war eben angekommen. Der dicke Herr Lenz schleppte seine und ihre Schneeschuhe und dampfte. Die Bremer Blondine trat zu Hagedorn und brachte ihren schwungvollen Jumper zur Geltung.
    »Sie kommen doch heute abend zu dem Kostümfest?« sagte sie.
    Dann nickte sie und stiefelte betont burschikos bergan.
    Nach dem Mittagessen wurde Kesselhuth feierlich vom Graswander Toni abgeholt.
    »Bittschön«, sagte der Toni. »Es ist wegen der Regelmäßigkeit.
    Gehn wir!«
    Johann nickte, trank einen Schluck Kaffee und zog an seiner Zigarre.
    »Sie sollten über Tag nicht rauchen«, erklärte der Toni. »Das ist unsportlich, bittschön.«
    Kesselhuth legte folgsam die Zigarre beiseite und stand auf.
    »Please, Sir«, sagte der Toni und trollte sich. Herr Kesselhuth verabschiedete sich traurig und trabte hinter dem Skilehrer her.
    »Als ob er zur Schlachtbank geführt würde«, meinte Hagedorn.
    »Aber der Skianzug ist fabelhaft!«
    »Kein Wunder«, sagte Schulze stolz. »Er ist ja auch bei meinem Schneider gearbeitet worden.« Hagedorn lachte

Weitere Kostenlose Bücher