Drei Männer im Schnee
herzlich und fand die Bemerkung großartig.
Geheimrat Tobler war froh, daß seine unbedachte Äußerung als Witz aufgenommen worden war, und lachte, allerdings ein bißchen krampfhaft, mit. Dann blieb er jedoch nicht mehr lange sitzen und sagte: »Mahlzeit! Jetzt geht Papa Schlittschuh laufen.«
»Darf ich mitkommen?«
Schulze hob abwehrend die Hand. »Lieber nicht! Sollte sich wider Erwarten herausstellen, daß ich es überhaupt noch kann, führe ich morgen vor geladenem Publikum etliche Eistänze vor. Das mag Ihnen zum Trost gereichen.«
Der junge Mann wünschte Hals-und Beinbruch und zog sich ins Schreibzimmer zurück, um seiner Mutter einen ausführlichen Brief zu schreiben.
Herr Schulze holte seine Schlittschuhe aus der fünften Etage und begab sich zur Eisbahn. Er hatte Glück, er war der einzige Fahrgast.
Mühsam schnallte er die rostigen Schlittschuhe an die schweren rindsledernen Stiefel. Dann stellte er sich auf die blitzblanke Fläche und wagte die ersten Schritte. Es ging.
Er verschränkte die Hände auf dem Rücken und lief, noch etwas zaudernd, einmal rund um die Bahn. Dann blieb er aufatmend stehen und freute sich. Man war eben doch ein verfluchter Kerl!
Nun wurde er wagemutiger. Er begann Bogen zu fahren. Der Rechtsbogen klappte besser als der linke. Aber das war schon so gewesen, als er noch in die Schule ging. Das war nicht mehr zu ändern.
Er überlegte sich, was er damals alles gekonnt hatte. Er holte mit dem linken Bein Schwung und fuhr eine Drei. Erst einen Auswärtsbogen, dann eine winzige Schleife und abschließend einen Rückwärtsbogen.
»Donnerwetter«, sagte er hochachtungsvoll zu sich selber. »Gelernt ist gelernt.«
Und nun riskierte er eine aus rechten Auswärts-und Einwärtsbögen zusammengestellte Acht. Das klappte auch! Die beiden Ziffern waren groß und deutlich in die Eisfläche graviert. »Und jetzt eine Pirouette«, sagte er laut, holte mit dem linken Bein und beiden Armen Schwung, drehte sich etwa zehnmal wie ein Kreisel um sich selber, lachte übermütig, da zog ihm eine unsichtbare Macht die Füße vom Eis! Er gestikulierte, es half nichts, er schlug lang hin, der Hinterkopf dröhnte, das Eis knisterte, die Rippen schmerzten, Schulze lag still. Er lag mit offenen Augen und blickte verwundert himmelwärts.
Minutenlang rührte er sich nicht. Dann schnallte er die Schlittschuhe ab. Ihn fröstelte. Er stellte sich auf die Füße, hinkte übers Eis zur Gittertür, drehte sich noch einmal um, lächelte wehmütig und sagte:
»Wenn’s dem Esel zu wohl wird…«
Am späten Nachmittag saßen die drei Männer im Lesezimmer, studierten die Zeitungen und sprachen über wichtige Ereignisse der letzten Zeit. Sie wurden von Professor Heltai, dem Tanzlehrer des Hotels, unterbrochen. Er trat an den Tisch und bat Herrn Schulze, ihm zu folgen. Schulze ging mit.
Nach einer Viertelstunde fragte Kesselhuth: »Wo bleibt eigentlich Schulze?«
»Vielleicht läßt er sich Unterricht in modernen Tänzen geben?«
»Nicht sehr wahrscheinlich«, meinte Kesselhuth. (Er hatte Hagedorns Bemerkung ernst genommen.) Nach einer weiteren Viertelstunde brachen sie auf, Schulze zu entdecken. Sie fanden ihn, ohne größere Schwierigkeiten, in einem der Speisesäle.
Er stand spreizbeinig auf einer hohen Leiter, schlug gerade einen Nagel in die Wand und verknotete an diesem eine Wäscheleine.
Dann kletterte er herunter und schleppte die Leiter voller Eifer an die Nebenwand.
»Haben Sie Fieber?« fragte Hagedorn besorgt. Schulze stieg auf die Leiter, nahm einen Nagel aus dem Mund und den Hammer aus der Anzugtasche. »Ich bin gesund«, sagte er.
»Ihr Benehmen spricht dagegen.«
»Ich dekoriere«, erklärte Schulze und schlug mit dem Hammer auf seinen Daumen. Dann knotete er das andere Ende der Leine fest. Sie hing jetzt quer durch den Saal.
»Eine allerliebste Beschäftigung«, meinte er und kletterte wieder herunter. »Ich bin dem Professor der Tanzkunst behilflich.«
Da rückte Heltai mit zwei Stubenmädchen an, die einen großen Korb trugen. Die Mädchen reichten Schulze alte, zerlöcherte Wäschestücke hinauf, und er hängte sie dekorativ über die Leine.
Der Professor betrachtete die herabhängenden Hemden, Hosen, Strümpfe und Leibchen, kniff ein Auge zu, zwirbelte sein schwarzes Schnurrbärtchen und rief. »Sehr fesch, mein Lieber!«
Schulze schob in einem fort die Leiter durch den Saal, kletterte hinauf und herunter und hängte unermüdlich die dekorativen Fetzen auf.
Die
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