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Drei Männer im Schnee

Drei Männer im Schnee

Titel: Drei Männer im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kästner
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antwortete Johann. »Sämtliche Leute starren herüber und halten uns für blödsinnig.«
    »Was fällt Ihnen sonst noch auf?«
    »Man kann machen, was man will – der Wein schmeckt großartig.
    Prosit!«
    Währenddem saß Frau Casparius, eine große Schleife im Haar und auch sonst als halbwüchsiges Schulmädchen verkleidet, mit dem Apachen Fritz Hagedorn in dem verqualmten, überfüllten Bierkeller.
    An ihrem Tisch saßen außerdem noch viele andere Gäste. Sie waren ebenfalls kostümiert, aber sie litten darunter. Das rund dreißigjährige Schulkind klappte den Ranzen auf, holte eine Puderdose heraus und betupfte sich die freche Nase mit einer rosa Quaste.
    Der junge Mann sah ihr zu. »Was machen die Schularbeiten, Kleine?«
    »Ich brauche dringend ein paar Nachhilfestunden. Vor allem in Menschenkunde. Da tauge ich gar nichts.«
    »Du mußt warten, bis du größer wirst«, rief er. »Auf diesem Gebiet lernt man nur durch Erfahrung.«
    »Falsch«, sagte sie. »Wenn es danach ginge, müßte ich die Beste in der ganzen Klasse sein. Aber es geht nicht danach.«
    »Schade. Dann war dein ganzer Fleiß vergeblich? Oh, du armes Kind!« Sie nickte.
    »Was willst du denn mal werden, wenn du aus der Schule kommst?«
    »Straßenbahnschaffner«, sagte sie. »Oder Blumenförster. Oder, am allerliebsten, Spazierführer.«
    »Aha. Das ist aber auch ein interessanter Beruf! Ich wollte eigentlich Schneemann werden. Schneeleute haben über ein halbes Jahr Ferien.«
    »Heißt es nicht Schneemänner?«
    »Es heißt Schneeleute. Aber als Schneemann braucht man das Abitur.«
    »Und was sind Sie statt dessen geworden?« fragte sie. »Erst war ich Tortenzeichner«, antwortete er. »Und jetzt bin ich Selbstbinder. Man hat sein Auskommen. Ich besitze einen eigenen Wagen. Einen Autobus. Wegen der großen Verwandtschaft. Wenn du einmal in Berlin bist, fahr ich dich herum. Ich habe Blumenkästen am Chassis.«
    Das Schulmädchen klatschte in die Hände. »Schön!« rief sie. »Mit Pelargonien?«
    »Natürlich«, sagte er. »Andre Blumen passen überhaupt nicht zu Autobussen.«
    Nun wurde es den anderen Leuten am Tisch endgültig zu viel. Sie zahlten und gingen fluchtartig ihrer Wege. Das Schulkind freute sich und sagte: »Wenn wir noch lauter sprechen, haben wir in zehn Minuten das Lokal ganz für uns allein.«
    Der Plan zerschlug sich. Erst kam Lenz, der Kaschemmenwirt. Seine Flasche Goldwasser war leer. Er bestellte Burgunder und sang rheinische Lieder. Und dann erschien Frau von Mallebré. Mit Baron Keller. Sie ging, weil sie schöne, schlanke Beine hatte, als Palastpage gekleidet. Keller trug seinen Frack. Man begrüßte einander so freundlich wie möglich.
    »Im Frack?« fragte Hagedorn erstaunt. Keller klemmte das Monokel noch fester. »Ich kostümiere mich nie. Es liegt mir nicht. Ich kann so was nicht komisch finden.«
    »Aber im Frack zum Lumpenball!« meinte das kleineSchulmädchen.
    »Warum denn nicht?« bemerkte der dicke Lenz. »Es gibt auch Lumpen im Frack!« Und dann lachte er ausschweifend.
    Der Baron verzog den Mund. Und Hagedorn erklärte, leider gehen zu müssen.
    »Bleiben Sie doch noch«, bat der Page. Und das Schulmädchen begann laut zu schluchzen. »Ich habe mein Wort verpfändet«, meinte der junge Mann. »Wir Apachen sind ein emsiges Volk. Es handelt sich um einen Einbruch.«
    »Was wollen Sie denn stehlen?« fragte Lenz.
    »Einen größeren Posten linker Handschuhe«, sagte Hagedorn geheimnisvoll. Er legte einen Finger an den Mund und entfernte sich schnell.
    Die beiden älteren Herren winkten, als sie ihn kommen sahen. »Wo waren Sie mit dem Schulmädchen?« fragte Schulze sittenstreng.
    »Habt ihr gut gefolgt?«
    »Lieber, mütterlicher Freund«, sagte der junge Mann.
    »Wir haben nur davon gesprochen, was die Kleine, wenn sie aus der Schule kommt, werden will.«
    »Pfui, Herr Doktor!« rief Kesselhuth.
    »Na, und was will sie werden?« fragte Schulze.
    »Sie weiß es noch nicht genau. Entweder Blumenförster oder Spazierführer.«
    Die beiden älteren Herren versanken in Nachdenken. Dann sagte Kesselhuth, der sich wieder hinter Schulzes Stuhl gestellt hatte: »Na, denn Prost!« Sie tranken. Und er fuhr fort: »Gnädiger Herr, darf ich mir eine Bemerkung erlauben?«
    »Ich bitte darum, Johann«, sagte Schulze. »Wir sollten jetzt vors Hotel gehen und auf Kasimirs Wohl trinken.«
    Der Vorschlag wurde einstimmig angenommen. Kesselhuth belud sich mit einer Flasche und drei Gläsern. Schulze übernahm die Teddybären.

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