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Drei Männer im Schnee

Drei Männer im Schnee

Titel: Drei Männer im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kästner
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Stubenmädchen kicherten über die zerlöcherte, vorsintflutliche Unterwäsche. Sogar ein riesiges Fischbeinkorsett war dabei.
    Der Professor rieb sich die Hände. »Sie sind ein Künstler, mein Lieber. Wann haben Sie das gelernt?«
    »Soeben, mein Lieber«, sagte Schulze. Der Professor ließ, ob dieser burschikosen Entgegnung, seinen Schnurrbart los. »Andere Saalseite geichfalls!« rief er. »Ich hole Luftschlangen und Ballons.« Er verschwand.
    Schulze schäkerte mit den Zimmermädchen und tat überhaupt, als seien Hagedorn und Kesselhuth längst fort.
    Johann ertrug den Anblick nicht länger. Er trat auf die Leiter zu und sagte: »Lassen Sie mich hinauf!«
    »Für zwei ist kein Platz«, erwiderte Schulze.
    »Ich will allein hinauf«, sagte Kesselhuth. »Das könnte Ihnen so passen«, antwortete Schulze hochmütig. »Spielen Sie lieber Bridge!
    Feine Leute können wir hier nicht gebrauchen!«
    Kesselhuth ging zu Hagedorn. »Wissen Sie keinen Rat, Herr Doktor?«
    »Ich hab’s ja kommen sehen«, meinte der junge Mann. »Passen Sie auf: Morgen läßt man ihn Kartoffeln schälen!« Dann gingen die beiden, betrübt und im Gleichschritt, ins Lesezimmer zurück.

Das zwölfte Kapitel - Der Lumpenball
    Nach dem Abendessen, das eine Stunde früher als sonst stattgefunden hatte, eilten die Gäste in ihre Zimmer und verkleideten sich.
    Gegen zehn Uhr abends füllten sich die Säle, die Halle, die Bar und die Korridore mit Apachen, Bettlern, Zigeunerinnen, Leierkastenmännern, Indianerinnen, Einbrechern, Wilddieben, Zofen, Negern, Schulmädchen, Prinzessinnen, Schutzleuten, Menschenfressern, Spanierinnen, Vagabunden, hochbeinigen Pagen und Trappern. Es trafen übrigens auch auswärtige Verbrecher, Gepäckträger und Wahrsagerinnen ein. Gäste anderer Hotels. Sie unterschieden sich von den andern dadurch, daß sie Eintritt zahlen mußten. Sie taten es gern. Die Kostümbälle im Grandhotel dauerten bis zum Morgengrauen. Die Direktion hatte zwei dörfliche Kapellen engagiert. In sämtlichen Sälen erscholl Tanzmusik. Scharen von Einheimischen waren da, in ihren wunderschönen alten Trachten.
    Die Bauern sollten gegen Mitternacht bodenständige Tänze vorführen, Schuhplattler, Watschentänze und andere international berühmte Sitten und Gebräuche.
    Die Tanzweisen vermischten sich, da in jedem Saal etwas anderes gespielt wurde, zu einem wilden, ohrenbetäubenden Lärm.
    Papierschlangen und Konfetti flogen durch die Luft. Bauernburschen trieben etliche Ziegen und ein schreckhaftes Schwein durch die Säle.
    Das Ferkel und die zur Lustigkeit entschlossenen Damen quiekten um die Wette.
    In der Halle war eine Tombola errichtet. Alles, was überflüssig und entbehrlich ist, war in Pyramidenform vereinigt worden. (Die Lose und die Gewinne bezog der Tanzlehrer seit Jahren von einer Münchner Firma. Und der Reingewinn der Lotterie fiel auf Grund eines Gewohnheitsrechtes an ihn.)
    Kesselhuth hatte während des Abendessens mitgeteilt, daß im Großen Saal ein Tisch mit drei Stühlen reserviert sei. Schulze und Hagedorn saßen, von verkleideten Menschen umgeben, an dem für sie bestellten Tisch und warteten auf den Besitzer der gut gehenden Schiffahrtslinie. Doktor Hagedorn war hemdsärmlig. Den Hals umschlang ein großes rotes Taschentuch. Auf dem Kopf trug er eine schief und tief ins Gesicht gezogene Reisemütze. Er stellte ganz offensichtlich einen Apachen dar. Schulze hatte sich noch weniger verwandelt. Er trug, diesmal allerdings innerhalb des Hotels, seine übliche sportliche Ausrüstung: den violetten Anzug, die Wickelgamaschen, die kleeblättrigen Manschettenknöpfe, die schwarzsamtenen Ohrenklappen und die feurig rote Pudelmütze.
    Ihm wurde langsam heiß.
    »Wo sind die Schlittschuhe?« fragte Hagedorn.
    »Hören Sie auf!« bat Schulze. »Erinnern Sie mich nicht an meinen Hinterkopf! Ich hatte völlig vergessen, wie hart so eine Eisbahn sein kann. Als Schlittschuhläufer werde ich nicht mehr auftreten.«
    »Und Sie hatten sich so darauf gefreut«, sagte Hagedorn mitleidig.
    »Das ist nicht weiter schlimm«, erklärte Schulze. »Ich hatte mich vorübergehend in meinem Alter geirrt.« Er lächelte freundlich. »Wie gefallen Ihnen aber meine Dekorationen, junger Freund?« Er schaute sich zufrieden um.
    Hagedorn erklärte, hingerissen zu sein.
    »Das ist recht«, sagte Schulze. »Doch wo steckt unser lieber Kesselhuth?«
    In diesem Augenblick füllte jemand, der hinter ihnen stand, die drei Weingläser.
    »Wir haben keinen Wein

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