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Drei Männer im Schnee

Drei Männer im Schnee

Titel: Drei Männer im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kästner
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freudige Mitteilung. Fritz Hagedorn.«
    Er reichte das Formular über den Tisch. »Wenn meine Mutter eine Depesche kriegt, denkt sie, ich bin unter eine Lawine gekommen.
    Drum depeschiere ich dem Fleischer von nebenan. Der Mann hat Gemüt.« Der Portier nickte höflich, obwohl er nicht verstand, worum es sich handelte.
    Hagedorn ging in den Speisesaal. Die anderen saßen schon bei Tisch. Er sagte: »Mahlzeit!« und nahm Platz. »Haben Sie absichtlich keine Krawatte umgebunden?« fragte Tante Julchen.
    »Ich bitte um Nachsicht«, meinte er. »Ich habe heute einen Webfehler.«
    »Wovon denn, mein Junge?« erkundigte sich Schulze.
    Hagedorn klopfte mit einem Löffel ans Glas. »Wißt ihr, was los ist?
    Ich bin engagiert! Ich habe vom nächsten Ersten ab eine Anstellung!
    Mit achthundert Mark im Monat! Es ist zum Überschnappen!
    Eduard, hast du noch keinen Brief bekommen? Nein? Dann kriegst du ihn noch. Verlaß dich drauf! Man schreibt mir, wir zwei hätten künftig geschäftlich miteinander zu tun? Freust du dich, oller Knabe? Hach, ist das Leben schön!« Er blickte denSchiffahrtsbesitzer Johann Kesselhuth an. »Haben Sie vielen Dank!
    Ich bin so glücklich!« Er drückte dem soignierten alten Herrn gerührt die Hand. »Eduard, bedanke dich auch!«
    Schulze lachte. »Das hätte ich fast vergessen. Also, besten Dank, mein Herr!«
    Kesselhuth rutschte verlegen auf seinem Stuhl hin und her. Tante Julchen sah verständnislos von einem zum anderen. Hagedorn griff in die Tasche und legte den Scheck über fünfhundert Mark neben Hildes Teller. »Eine Sondergratifikation! Kinder, ist das eine noble Firma! Fünfhundert Mark, noch ehe man den kleinen Finger krumm gemacht hat! Der Abteilungschef schreibt, ich möge mich im Interesse des Unternehmens bestens erholen. Bestens! Was sagt ihr dazu?«
    »Prächtig, prächtig«, meinte Hilde. »Da kannst du morgen gleich deiner Mutter etwas schicken, nicht?« Er nickte. »Jawohl!
    Zweihundert Mark! Außerdem kommt sie früh zu Kuchenbuchs. Ich erzähle ihr alles am Telefon.«
    »Kuchenbuchs?« fragte Eduard.
    »Das ist der Fleischer, bei dem wir kaufen. Ich habe ihm eben eine Depesche geschickt. Er soll meine Mutter schonend vorbereiten.
    Sonst erschrickt sie zu Tode.« Hilde sagte: »Ich gratuliere dir zu deiner Anstellung von ganzem Herzen.«
    »Ich dir auch«, antwortete er fröhlich. »Nun kriegst du endlich einen Mann.«
    »Wen denn?« fragte Tante Julchen. »Ach so, ich weiß schon. Na ja.
    Damit Sie’s wissen, Herr Doktor, ich bin nicht sehr dafür.«
    »Es tut mir leid«, sagte er. »Aber ich kann leider auf Hildes Tanten keine Rücksicht nehmen. Das würde zu weit führen. Liebling, ob dein Vater einverstanden sein wird? Achthundert Mark sind doch
    ’ne Stange Geld.«
    Frau Kunkel lachte despektierlich.
    »Paß mal auf«, sagte Hilde. »Wir werden sogar sparen. Wir brauchen kein Dienstmädchen, sondern ich lasse dreimal in der Woche eine Aufwartefrau kommen.«
    »Aber wenn der Junge da ist, nehmen wir ein Dienstmädchen«, erklärte Hagedorn besorgt.
    »Welcher Junge?« fragte die Tante.
    »Unser Junge!« sagte Hilde stolz.
    »Wir werden ihn Eduard nennen«, bemerkte der künftige Papa. »Im Hinblick auf meinen Freund.«
    »Und wenn es ein Mädchen ist?« fragte Schulze besorgt.
    »Für diesen Fall möchte ich Eduardine vorschlagen«, erklärte Herr Kesselhuth.
    »Sie sind ein findiger Kopf«, sagte Schulze anerkennend.
    »Es wird bestimmt ein Junge«, versicherte Hagedorn.
    Hilde meinte: »Ich habe auch so das Gefühl.« Und dann wurde sie rot bis über beide Ohren.
    Tante Julchen rang nach neuem Gesprächsstoff. Sie fragte: »Welche Firma hat Sie denn engagiert?«
    Hagedorn warf sich in die Brust: »Sie werden staunen, Tantchen.
    Die Toblerwerke!«
    Tante Julchen staunte wirklich. Sie staunte so sehr, daß ihr ein Hühnerknochen in die Speiseröhre geriet. Die Augen traten ihr faustdick aus dem Kopf. Sie hustete aus tiefster Seele. Man flößte ihr Wasser ein. Man hielt ihr die Arme hoch. Sie riß sich los, warf einen gequälten Blick auf Herrn Schulze und entwich.
    »Hat sie das häufig?« fragte Fritz, als sie fort war. ›Seit sie meine Tante ist‹, wollte Hilde eigentlich sagen. Aber sie sah die Augen ihres Vaters und die des Dieners Johann auf sich gerichtet und erklärte: »Die Freude wird sie überwältigt haben.«
    Am gleichen Abend fand, eine Stunde später, ein Gespräch statt, das nicht ohne Folgen bleiben sollte. Frau Casparius kam zu Onkel Polter, der hinter

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