Drei Schwerter für Salassar (Gesamtausgabe): Die Saga der Adamanten-Welt (German Edition)
Augerich, der König unter dem Berg, hatte goldene Ringe geben müssen, um diese beiden Kaninchen für Pyctus und Silas zu kaufen. Denn anders als die meisten Zwerge hatten diese beiden Brüder das Handwerk des Kriegers gewählt. Normalerweise gehen Zwerge lieber im Berg dem Schürfen des Erzes nach oder vermögen, Metalle kunstvoll zu schmieden und kostbare Juwelen zu schleifen. Pyctus und Silas verspürten jedoch schon sehr früh ein gewisses Abenteuerblut in ihren Adern
Die Meister in den Werkstätten ließen sie dann auch lieber die Erzeugnisse der Werkstätten ausliefern, was oft genug lange Reise bedeuteten und nicht nur in die Städte der Menschen, sondern auch an die Höfe der Herrscher und Fürsten führte. So wurden die beiden ungleichen Brüder dann auch mit Botschaften des Zwergen-Königs losgeschickt und sie genossen sein volles Vertrauen.
Heute waren Pyctus und Silas die Paladine König Augerichs und im ganzen Zwergenvolk geachtet und bewundert. Kein Wunder, dass es sich der Herrscher unter dem Berge etwas kosten ließ, als die beiden Rennkaninchen, welche die Brüder bis dahin geritten hatten, in das „letzte Kleefeld“ geführt wurden. Bei den Zwergen bedeutet dies das Gnadenbrot für die Tiere, die ihnen treu gedient haben.
Und nur der Schnelligkeit, der Ausdauer und der Gewandtheit ihrer Renn-Kaninchen von der Größe eines Ponys hatten es Pyctus und Silas zu verdanken, dass sie noch nicht in den Fäusten der Riesen zappelten.
Nun aber waren die beiden Ritter des Königs Augerich in höchster Bedrängnis. Am Wutgebrüll der beiden Riesen war zu erkennen, dass sie keinen Spaß mehr verstanden. Denn die beiden Zwerge hatten das größte Heiligtum der Riesen gestohlen, das sie nun im Wunderwald in Sicherheit bringen wollten.
Die Kristallrose!
Eine Rose aus einer durchscheinenden Substanz, die zart und zerbrechlich war wie dünnes Glas. Trotz des wilden Hoppel-Tempos seines Rennkaninchens balancierte Pyctus die Kristallrose wie ein rohes Ei.
Entamos und Thumolas waren von König Ghoroc mit dem Amt als Wächter der Kristallrose betraut worden. Für die beiden Riesen war es die größte Schmach einzugestehen, dass es den Zwergen gelungen war, die Kristallrose zu stehlen.
»Vorwärts, Graufell!« feuerte Silas sein Kaninchen an. »Es ist in deinem eigenen Interesse, wenn du dich anstrengst. Was die beiden Riesen mit mir machen, wenn sie mich kriegen, weiß ich nicht. Aber du wirst bei ihnen garantiert am Bratspieß schmurgeln!«
Als hätte das Rennkaninchen seine Worte verstanden, streckte sich Graufell und wurde noch schneller. Eigentlich war er wesentlich behäbiger und bewegte sich nur, wenn es nicht anders ging. Jetzt aber schien es die Worte seines Reiters sehr gut zu verstehen.
Silas, der jüngere der beiden Brüder, war für einen Zwerg sehr zartgliedrig gebaut, hatte ein hübsches Gesicht und verzichtete darauf, sich den für Zwerge typischen Bart stehen zu lassen. Wie sein Bruder Pyctus trug er derbe Kleidung aus braunem Leder und dunkelgrünem Lodenstoff. Er hatte hohe Stiefel und einen breiten Gürtel, an dem verschiedene Taschen hingen. In einer Scheide steckte ein unterarmlanger Dolch. Als Waffe führte Silas einen Säbel-Spiess, den er vorzüglich zu gebrauchen wusste.
Pyctus dagegen hatte die stämmige, untersetzte Gestalt, wie sie den meisten Zwergen eigen ist. Sein schwarzer Bart war kurz geschoren, und das halblange Haar war unter einer einfachen, braunen Lederkappe verborgen. Wie der Bruder hatte Pyctus eisgraue Augen, in denen jedoch die Umsicht eines erfahrenen Kriegers steckte. Silas dagegen war immer ein Draufgänger, der vor allem eine Schwäche für das weibliche Geschlecht jedweden Volkes der »Adamanten-Welt« hatte.
Als Waffe bevorzugte Pyctus eine mächtige Axt mit doppeltem Blatt und langem Schaft, die ihm Werkzeug und Waffe zugleich war. Sein Rennkaninchen war pechschwarz mit einer weißen Pfote, der es seinen Namen verdankte. Im Gegensatz zu Graufell war Weißpfote ein richtiges Kampfkaninchen. In Bedrängnis kämpfte es an der Seite seines Herrn genau so wie die Pferde in der Kavallerie des Mardonios von Cabachas, die ihre Reiter in der Schlacht durch Auskeilen mit den Hufen und durch Beißen unterstützten.
Vor zwei Tagen war es den beiden Zwergen-Brüdern gelungen, sich in Orthenios, der gigantischen Felsenburg der Riesen, einzuschleichen und dort die Kristallrose zu stehlen. Es hatte lange gedauert, bis die Wächter der Riesen ihre Spur aufgenommen
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