Drei Seiten für ein Exposé
Seminare darüber gehalten,wie man SF-Romane schreibt. Die Teilnehmer mussten eigene Leseproben vorlegen – und natürlich auch eigene Exposés.
In meinem waren zwei Geschichten verwoben. Eine von einem vierzehnjährigen Jungen, dessen Vater nach einem Unfall zum Alkoholiker wurde. Eine andere von Leuten in einer anderen Zeit, auf einem anderen Planeten. Der Junge hatte plötzlich Kontakt zu ihnen.
Eigentlich liebe ich die SF-Geschichte. Und war das nicht ein Seminar über SF-Romane, besucht von SF-Autoren? Doch alle waren der Meinung, die Geschichte des Jungen ist die, die uns interessiert.
Finden Sie also heraus, wo das Spannungspotenzial Ihrer Geschichte liegt. Es lohnt sich. Geben Sie sich nicht gleich mit der ersten Idee zufrieden. Ideen lassen sich nämlich entwickeln.
Beispiel: Der Chronist
Der Roman spielt zur Zeit der Normannen (1015–1085). Die Hauptfiguren sind Robert Guiscard, Eric Thorsen und Hallfred. Robert und Eric sind von Kindheit an befreundet, doch haben sie völlig unterschiedliche Lebensvorstellungen. Während Robert Guiscard nach Macht, Einfluss und Herrschaft strebt, sucht Eric sein Glück in den kleinen Dingen des Lebens sowie in der Dichtkunst. Aus dieser unterschiedlichen Lebenshaltung erwächst einer der beiden Grundkonflikte des Romans: Robert kann zwar geschickt mit Schwert und Lanze umgehen, er ist tapfer und mutig, doch für eines seiner ehrgeizigen Projekte benötigt er unbedingt die Hilfe von Eric: für die Chronik seines Lebens, seiner Taten und seines Ruhms. Eric, ein Meister der Sprache und Dichtkunst, weigert sich jedoch über viele Jahre hinweg, Roberts Chronist zu werden. Ihm bleiben die Ziele von Robert fremd, er hat keinerlei Sinn für das Heroische. Erst als Robert bereits mit dem Tod ringt, beginnt (und vollendet) Eric die Chronik von Robert Guiscards Leben. (Diese Chronik stellt meinen eigentlichen Text dar.)
Der zweite Grundkonflikt erwächst aus jener Angst, die Robert beherrscht, seit er als Säugling seine Mutter verlor. Diese Angst ist es, die ihn vorwärts peitscht und zu immer neuen Siegen treibt. Diese Angst ist es aber auch, die ihn niemanden neben sich dulden lässt. Das bekommtHallfred, ein verkrüppelter Außenseiter, immer wieder zu spüren. Hallfred sehnt sich nach nichts mehr als nach ein bisschen Anerkennung und Gemeinschaft. Doch Robert grenzt ihn aus, wo immer es geht. Daraus erwächst bei Hallfred ein grenzenloser Hass, der sich schließlich in grausamen Taten entlädt
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Das erste Kapitel schildert die Kindheit und Jugend der Hauptfiguren. Es zeigt, wie sie in die ersten Kämpfe verwickelt werden und schließlich zusammen mit den anderen Normannen an Beutefahrten teilnehmen. Während Robert Guiscard immer mehr in die Welt des Kampfes und Krieges hineinwächst, sagt Eric dieser Welt bald Lebewohl. Er hat seinen Hang zur Dichtkunst entdeckt
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Am Ende des Kapitels stirbt Tancred Guiscard, Roberts Vater, und mit seinen letzten Atemzügen teilt er seinem Sohn und Hallfred ein schreckliches Geheimnis mit: Hallfred ist der (illegitime) Halbbruder Roberts
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Das zweite Kapitel setzt nach dem Tod des alten Herzogs ein. Hallfred versteht es geschickt, Robert kaltzustellen und selbst Herzog zu werden. Nun steht für Robert fest: Hallfred muss sterben. Und in der Tat – nach dessen sorgfältig inszeniertem Tod – erlangt Robert die Herzogswürde. Alles scheint gut. Bis Robert entdecken muss, dass Hallfred schwerverletzt entkommen konnte. Fortan treibt die Jagd nach Hallfred Robert an. Doch Hallfred gelingt es, ein zweites Mal zu entkommen. Von nun an scheint er aus Roberts Leben vollständig verschwunden zu sein
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Indem Robert das normannische Heer modernisiert, schafft er eine schlagkräftige Armee, die ihm zu vielen Siegen verhilft. Dabei dehnt er sein Herrschaftsgebiet immer weiter aus. Doch all diese Erfolge zahlen sich für ihn letztlich nicht aus. Denn er kann nicht verhindern, dass seine junge und schöne Frau sowie sein kleiner Sohn auf schreckliche Weise ermordet werden. Ja, er trägt an ihrem Tod sogar eine gewisse Mitschuld
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Er nimmt an den Mördern furchtbare Rache, ohne den wirklichen Drahtzieher der Ereignisse zu fassen. Nun versinkt Robert mehr und mehr in Verzweiflung und Depressionen. Zu dieser Zeit beschließt Eric, nach Sizilien zu gehen, wo er fortan ein Leben in Ruhe und Frieden, ganz der Dichtkunst sowie seiner Frau und seinen Kindern gewidmet, führen möchte
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Doch Eric und Robert sollen sich wiedersehen. Darum geht es im
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