Drei Seiten für ein Exposé
Gewissen haben, wird irgendwo erwähnt, mehr aber nicht. Warum haben sie sie entführt? Der Monsterhund war ja unschuldig, so lese ich das aus dem Exposé.
Dann erfährt Marc, dass sein Vater ein Elf und ein Drache ist. Der Vater bringt Marc in ein anderes Land, dann zieht er in den Krieg. Das ließe sich aktiver schreiben:
Marc flieht mit dem Vater nach Dragunlaor, eine Parallelwelt und die Heimat des Vaters
.
Nicht nur in Texten sollte man aktiv schreiben, erst recht im Exposé.
Und warum lebte der Vater in unserer Realwelt? Die Liebe zu Marcs Mutter? Das wäre eine Möglichkeit, erklärt aber nicht, warum ein Elf in unserer Welt wie im Mittelalter leben muss, und erst recht nicht, was wir darunter zu verstehenhaben.
Am Ende erzählt Sallidal mehr über die Familie. Und Marc erfährt, dass sein angeblicher Vater nicht sein Vater, sondern sein Onkel ist. Und? Was bedeutet das nun? Was hat es mit der Geschichte des Kampfes gegen die Blutelfen zu tun? Da Marc dieses Geheimnis nicht im Laufe der Geschichte selbst herausfinden muss, sondern es ihm erzählt wird, gewinne ich den Eindruck: Das ist gar keine Geschichte, das ist am Schluss eine langweilige Erzählung, die alles offenbart, aber in der nichts passiert. Das gehört eigentlich gar nicht zur Geschichte des Kampfes gegen die Blutelfen, und man könnte es im Exposé ersatzlos streichen.
Genau wie den ersten Absatz mit dem Mittelalter. Am Exposé würde sich nichts ändern.
Diese Geschichte um die entführte Prinzessin, die Blutelfen, das alles könnte durchaus interessant sein.
Zurück zu dem gelebten Mittelalter. Vielleicht wäre das – konkreter formuliert – doch ein schöner Anfang der Geschichte? Marc wagt es nicht, Freunde einzuladen. Seine Mutter tastet sie erst mal nach elektrischen Geräten ab. Sein Vater vertrage keine Elektrizität, erklärt sie, sagt aber nicht, warum.
Wenn es im Exposé erwähnt wird, dann bitte konkret: Was heißt es, dass Marcs Familie wie im Mittelalter lebt?
Marc ist elf und lebt in Köln in einem Reihenhaus. Manches ist dort merkwürdig, zum Beispiel gibt es keine Elektrizität. Und eines Tages springt ein riesiger Hund aus dem Nichts ins Wohnzimmer, tötet Marcs Mutter und kann vom Vater nur ganz knapp abgewehrt werden
.
Und wie löst das Ende der Geschichte den Anfang auf? Warum leben Marc und Familie nicht in Dragunlaor, sondern hier in unserer Realität? Warum hetzen die Blutelfen einen Monsterhund auf die Familie?
Auch die Geschichte mit dem Monsterhund sollte geerdet werden, auch dieser Anfang hat ein offenes Ende. Ist Sallidal immer wieder heimlich nach Dragunlaor gegangen, hat dortgegen die Blutelfen gekämpft? Wollten diese den Störenfried endlich loswerden? Im Exposé sollte sich das finden.
Denn die Geschichte Dragunlaor hat durchaus Potenzial. Ja, ich weiß, ich sage oft, dass eine Geschichte Potenzial hätte. Aber genau das fehlt vielen Anfängern: das Potenzial ihrer Geschichte zu erkennen und zu nutzen. Das heißt nicht notwendigerweise, dass alle diese Geschichten bis zur Verlagsreife gebracht werden können. Es heißt aber, dass sie sehr viel besser sein könnten, sehr viel konsequenter erzählt.
Übung
Marco verliebt sich in die Prinzessin. Sie ist nicht die neue Frau des Vaters, wie im Ursprungsexposé. Was würde sich ändern?
Schreiben Sie ein neues Exposé für Dragunlaor, in der genau diese Liebesgeschichte passiert.
Sagen Sie nicht: Ich mag keine Fantasy. Oder: Ich mag keine Liebesromane. Hier geht es um die Übung, um Finger-fertigkeit. Das Exposé sollte so gut sein, wie Sie es schreiben können. Geben Sie sich also Mühe.
Aber Sie müssen nicht perfekt sein.
Formulieren Sie dann einen Pitch zu dem neuen Exposé.
Witz im Exposé
Soll das Exposé eher sachlich sein, oder darf, wenn der Text witzig ist, auch das Exposé etwas von diesem Witz atmen?
Die meisten Literaturagenten sind sich einig: Die Stimmung des Exposés darf die Stimmung des Textes atmen. Schauen Sie sich die entsprechenden Antworten in den Interviews im Anhang an. Egal ob witzig, gefühlvoll oder spannende Action: Es ist kein Fehler, das auch im Exposé zu spüren. Aber behaupten Sie diese Stimmung nicht, sondern zeigen Sie sie. Lassen Sie sie zwischen den Zeilen hervorscheinen.
Beispiel: Der Lover
Eines Tages, drei Jahre nach seiner Scheidung, befindet der fünfundvierzigjährige Bankangestellte und Hobbyschriftsteller Paul Bucher,dass es nun für ihn an der Zeit ist, sich eine neue Partnerin zu suchen
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Um die
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