Drei Seiten für ein Exposé
Sensation. Wer dasentdeckt, der hat einen Ruf unter den Archäologen, und gleichzeitig wäre seinen Büchern ein Massenpublikum sicher.
Die andere Möglichkeit wäre die magische. Dieses Amulett hat Macht. Es hat nicht nur wissenschaftlichen Wert, sondern kann etwas im Hier und Heute bewirken. Dass das Exposé das Manuskript als „Mystery-Thriller“ einordnet, deutet darauf hin. Auch, dass die Entdecker in die Zeit der Römer zurückversetzt werden.
Doch was erhofft sich Roman davon, der ein falsches Spiel treibt? Und erwartet der Leser nicht etwas Spezifischeres von einem Amulett, das den Amazonen gehört? Etwas, das mit Frauenmacht, mit Matriarchat, mit dem Krieg der Geschlechter zu tun hat?
Schließlich ist das Amulett auch dem verräterischen Roman wichtig. Sicher nicht nur deshalb, weil man damit in die Vergangenheit reisen und dort Schlachten schlagen kann. Warum spielt Roman falsch? Welchen Zauber des Amuletts will er benutzen? Und warum könnte der ihm helfen, Erfolg zu haben?
Womit wir wieder bei der Ausgangsfrage wären: Was tut das Amulett überhaupt? Was wäre, wenn Roman im Grunde seines Herzens ein Frauenhasser ist? Der überzeugt ist, dass Emanzipation ein Irrweg ist, der Frauen nur Unglück bringt, Männern ihre natürlich vorgegebene Rolle raubt und die westliche Zivilisation wehrlos gegen die Angriffe radikaler Mullahs macht, die noch Eier haben, anders als die deutschen Männer?
Und dieses Amulett wird ihm die Macht geben, Frauen wieder auf ihre ihnen zustehende Rolle zu verweisen? Gefällt Ihnen nicht? Muss es auch nicht. Es ist nur eine Möglichkeit, dem Amulett mehr Bedeutung zu verleihen. Die muss es nämlich bekommen, soll es das Herzstück eines Thrillers werden.
Und warum ist das Amulett für Kerstin wichtig? Weil sie Altertumswissenschaftlerin ist und endlich den Beweis für die Existenz der Amazonen in den Händen hält? Weil sie sich von dem Amulett Macht erhofft? Dass sie sich am Schluss als Nachfahrin der Amazonen entpuppt, reicht jedenfalls nichtaus. Nicht, wenn das nicht irgendeine Konsequenz hat.
Ein Thriller braucht Spannung, es geht um Leben oder Tod, und es muss etwas auf dem Spiel stehen.
Außerdem braucht er einen Schluss, der mit dem Anfang zusammenhängt. Hier endet das Exposé mit der Entdeckung, dass Kerstin von den Amazonen abstammt. Und? Was bedeutet das? Dass nur sie das Amulett bedienen kann? Das wäre eine Möglichkeit.
Ein magischer Gegenstand reicht nicht für ein packendes Exposé. Er kann zu einem gelungenen Exposé führen, aber es braucht mehr als Magie. Es braucht einen Schluss, der mit dem Anfang zusammenhängt, und im Fall eines magischen Gegenstandes muss dieser nicht nur außergewöhnlich sein, sondern auch wirklich Macht besitzen. Etwas, das die Geschichte ändern, sie bestimmen kann. Wer am Schluss den Gegenstand besitzt, ist der Sieger. Am Ende ist nichts, wie es am Anfang war. Das Zauberding hat Geschichte geschrieben. Und diese Geschichte braucht der Autor.
Habe ich immer wieder gesagt, dass Exposés kurz sein sollen? Dieses Exposé ist zu kurz. Denken Sie im Exposé immer an Ihre Figuren, an den Protagonisten, den Antagonisten. Das ausführliche Exposé sollte beide Figuren und ihre Ziele vorstellen. Und natürlich sollten ungewöhnliche Ereignisse einen Grund haben. Amazonen gehören in die griechische Sagenwelt, warum also kämpfen in der Geschichte Römer gegen die Amazonen? Nicht, dass dies nicht möglich wäre, aber es muss plausibel sein.
Übung
Schreiben Sie ein Exposé für das Amulett der Amazonen. Warum ist es wichtig? Welche Kräfte hat es? Und wie geht die Geschichte aus? Wird Kerstin das Amulett behalten oder es begraben, einem Museum stiften oder sich als neue Königin der Amazonen outen?
Beachten Sie: Das Exposé muss nicht perfekt sein. Schließlich ist es nicht Ihre Geschichte. Aber es sollte halbwegs stimmig sein.
Der Held erfährt etwas
Wer – wie ich – viele Exposés erhält, kennt sie: die Sätze, dass der Held etwas „erfährt“, „hört“, „gesagt bekommt“. In aller Regel werden dem Helden an diesen Stellen von außen wichtige Informationen geliefert. Wer sein wirklicher Vater war. Dass er der letzte Königssohn ist. Dass der Ermordete in Wirklichkeit jemand ganz anderer war.
Solche Sätze sind gefährlich. Sie enthalten keine Handlung und wecken den Verdacht, dass im Manuskript ein langweiliger Monolog steht, der alle Geheimnisse des Buches aufklärt. Mit nichts können Sie Leser (und Lektoren!)
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