Drei sind einer zuviel
zurückgekommen. Der erzählt überall
herum, daß Andis Vater in Haft ist.«
»Was kann Ihnen das ausmachen? Sie sind
geschieden.«
»Deswegen bleibt der Andi doch sein Sohn. — Sie
waren noch nicht hier, wie der Reinthaler-Bauer den Hinterhuber im Rausch
erschlagen hat. Die Reinthalers waren bis dahin eine angesehene Familie im Ort,
aber auf einmal kannten die alten Freunde sie nicht mehr. Ihr Sohn fand keine
Lehrstelle im ganzen Kreis. Nachts haben sie ihnen die Scheiben eingeworfen.
Und die beiden Reinthaler-Mädchen — >Mörderkinder< haben sie hinter denen
hergerufen. Mörderkinder! — Die Kinder müssen es büßen, immer die Kinder! —
Verstehen Sie, daß ich das Andi ersparen möchte?«
»Aber es ist doch noch gar nicht erwiesen, daß
sein Vater wirklich verurteilt wird«, sagte Peter.
»Da kennen Sie die Leute schlecht. Die brauchen
keine Beweise, denen genügt schon ein Verdacht.« Sie erhob sich. »Ich muß ins
Geschäft zurück. Bitte, Herr Melchior — «
»Ich werde auf ihn aufpassen«, versprach Peter.
Christl Schäfer und Frau Sommerblühn kamen
herein. »Wir haben jetzt Konferenz.«
Frau Anders ging mit raschem Gruß an ihnen
vorbei.
»Es geht mal wieder um die Lernschwachen.
Nachtmann hat beim Schulamt beantragt, daß sie auf eine Sonderschule kommen,
weil sie bei den gegebenen Klassenstärken den Unterricht aufhalten«, sagte Frau
Sommerblühn.
»Und welche Schüler sind davon betroffen?«
»Der kleine Zwicknagel, das ist ein schwerer
Legastheniker, und die Beate Liebenau aus der dritten Klasse. — Die nächste
Sonderschule ist eine Stunde Busfahrt entfernt — ein Wahnsinn«, erregte sich
Christi.
Schlicht, der beim Hereinkommen ihre letzten
Worte aufgeschnappt hatte, beruhigte sie: »Was ist schon eine Stunde Busfahrt,
Fräulein Schäfer. Ich bin als kleiner Bub Tag für Tag bei jedem Wind und Wetter
anderthalb Stunden zu Schule gelaufen !«
Frau Sommerblühn sah ihn bewundernd an. »Tapfer,
tapfer, lieber Schlicht.«
Das also war der Grund,
weshalb Herr Nachtmann Frau Zwicknagel zu sich bestellt hatte.
Als Peter nach Hause fahren wollte, sah er
Benedikts Wagen vor der Metzgerei parken und stieg aus. Frau Zwicknagel trug
noch die gute Bluse vom Rektorbesuch unterm Kittel, während sie Fräulein
Schneider bediente, eine steinreiche alte Jungfer, die der Geiz frühzeitig
hatte verhutzeln lassen.
»Was soll’s denn sein, Fräulein Schneider?
Wieder zehn Gramm Gehacktes wie ’s letzte Mal?« erkundigte sich Frau Zwicknagel
mit einem Zwinkern zu Benedikt.
»Heute dürfen es zwanzig Gramm sein, ich erwarte
meine Nichte zu Besuch.«
»Sonst noch was?«
»Einen Kalbfleischknochen.«
»Mehr Fleisch als Knochen, ich weiß.« Frau
Zwicknagel tippte gerade die Minibeträge zusammen, als Peter den Laden betrat.
»Gut, daß Sie kommen, mit Ihnen muß ich reden.«
Im Zimmer hinter dem Laden wurde es plötzlich
sehr laut. Zwicknagel schrie: »Hundsbua, damischer! Des kannst mit dei Mutta
machn, mit mir net! Verstehst? Net mit mir.« Gleich darauf klatschte es, Loisl
riß die Tür zum Laden auf und stolperte grußlos, seine Backe haltend, an Peter
vorbei auf die Straße. Weg war er.
Fräulein Schneider nahm sich viel Zeit beim
Wühlen in ihrem Portemonnaie: »Ich weiß nicht, ob ich’s passend habe — « Sie
wollte noch ein bißchen zuhören. Frau Zwicknagel nahm ihr kurzerhand das
Portemonnaie aus der Hand und das Geld selbst heraus.
Ehe sie protestieren konnte, hatte Peter die
Jungfer zur Tür hinausgeschoben.
»Schließen Sie gleich ab, es ist eh schon
Tischzeit.«
»Was war denn mit Ihrem Mann?« fragte Peter.
»Ach, der. Der wollte mir vorführen, wie man mit
dem Buben Schularbeiten macht. Ich bin ja zu blöd dazu. — Er hat übrigens noch
keine Ahnung von der Sonderschul. Ich hatte noch nicht den passenden Moment
dafür. — Am liebsten wär’s mir ja, wenn Sie es ihm sagen möchten, Herr
Melchior.«
Warum hab ich bloß angehalten, bereute Peter.
Warum bin ich nicht strikt nach Haus gefahren? Er hatte so gar keine Lust auf
einen Nahkampf mit dem cholerischen Metzgermeister, der gerade den Laden
betrat.
»Wo ist der Loisl hin? Ach, der Herr Lehrer!«
Zwicknagel gab Peter und Benedikt die Hand über den Ladentisch hinweg. »Ich
sag’s Ihnen. Das ist ein Kreuz mit dem Buben. Was haben wir schon alles in den
investiert. Ein halbes Jahr Nachhilfe bei einem pensionierten Oberlehrer — die
Stunde zu achtzehn Mark. Und was hat er gelernt? Nix hat er gelernt. Senf hat
er ihm
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