Drei Unzen Agonie
mit
spitzen Fingern haltend, als hätte sie Angst, das Papier könnte jeden Moment
explodieren. Ich steckte mir eine Zigarette an und wartete. Eine Minute später
kehrte sie zurück.
»Mr. Fremont läßt bitten .« Das Sprechen schien ihr einige Schwierigkeit zu bereiten,
vielleicht weil sie am liebsten mit den Zähnen geknirscht hätte. »Sein Büro ist
dort drüben. Die zweite Tür rechts.«
»Danke schön«, sagte ich
höflich. »Es wird mir ewig leid tun, daß wir das Wochenende nun doch nicht
gemeinsam verbringen können .«
Ihr Mund stand noch immer
offen, als ich ihr abschiednehmend zunickte und auf
Fremonts Büro zusteuerte.
Die Tür war angelehnt, ich
brauchte also nicht zu klopfen. Das Büro war geschmacklos und düster
eingerichtet. Die eine Wand wurde von einem offenen Kamin eingenommen, der
nichts weiter als Attrappe war. Hinter dem massiven Schreibtisch befanden sich
zwei Nischen in der Wand, in denen überdimensionale Parfümflakons standen. Der
Teppich wirkte grau und schmutzig.
Der Mann hinter dem
Schreibtisch war meiner Schätzung nach mittelgroß und hatte die Vierzig bereits
überschritten. Sein dickes lockiges Haar war an den Schläfen von grauen Fäden
durchzogen. Seine Augen waren braun und seelenvoll, die Zähne standen hervor,
wenn er lächelte. Er wirkte wie eine Mischung aus Löwe und Kaninchen.
»Mr. Boyd?« Die Stimme war
dröhnend und voll und paßte nicht zu seinem Äußeren. »Bitte, nehmen Sie Platz .«
»Danke .« Ich ließ mich in einem Ledersessel nieder. Die Polster ächzten unter meinem
Gewicht.
Einen Moment lang musterte er
stumm meine Karte, dann ließ er sie auf den Schreibtisch fallen. Wieder
entblößte er lächelnd seine vorstehenden Zähne. »Sie sind Privatdetektiv, Mr.
Boyd ?«
»Ganz recht, Mr. Fremont .«
»Und Maxine Lord, dieses
schizophrene Frauenzimmer, hat Sie angeheuert, um mir Angst einzujagen. Sehen
Sie, wie ich vor Furcht zittere, Mr. Boyd? Ist mir nicht die Schuld an den
schweißigen Händen, den niedergeschlagenen Lidern und dem aschfahlen Gesicht
abzulesen ?«
»Lassen Sie mich mal raten«,
meinte ich. »Sie wollen mir doch etwas zu verstehen geben, nicht wahr ?«
»Die bedauernswerte Maxine hat
Ihnen offensichtlich weisgemacht, daß ich ihre Parfümformel stahl, das Parfüm
als mein Erzeugnis ausgab und auf den Markt brachte und ihr so ungeheuren
Schmerz, größte Erniedrigung und enorme Verluste verursachte, da sie gezwungen
war, ihr neuestes Parfüm vom Markt zurückzuziehen. Darauf gibt es eine einfache
Antwort, Mr. Boyd; Das Gegenteil trifft zu. Die Formel stammt ursprünglich aus
meinem Labor und wurde mir gestohlen. Ich glaube nicht, daß Maxine direkt in
die Sache verwickelt war — ihre geistige Kapazität reicht dazu nicht aus; doch
die Formel wurde zweifellos von einem Mitglied ihres Unternehmens gestohlen.
Insgeheim weiß sie natürlich, daß dem so ist; warum hätte sie ihr Erzeugnis
sonst vom Markt zurückgezogen? Doch auf Grund verschiedener persönlicher
Schwierigkeiten hat sie beschlossen, mich in eine peinliche Lage zu bringen,
Mr. Boyd« — er schlug mit der Faust auf den Schreibtisch —, »lassen Sie mich
Ihnen versichern, daß ich mich nicht einschüchtern lasse. Wenn sie darauf
besteht, diese kindische Farce fortzusetzen, werde ich auf der Stelle
gerichtliche Schritte unternehmen. Meine Anwälte werden Klage wegen
Verleumdung...«
»Holen Sie doch mal wieder
Atem«, unterbrach ich ihn. »Es wäre mir ausgesprochen unangenehm, wenn Sie
mitten im Satz tot umfallen würden .«
Die braunen Augen rollten wild
hin und her. »Falls Sie meinen, ich scherze, Mr. Boyd, das ist nicht der Fall .«
»Warum versuchen wir nicht
zunächst einmal die Tatsachen zu klären ?« schlug ich
vor. »Maxine Lord behauptet, Sie hätten die Formel gestohlen oder jemand
anderes hätte sie gestohlen und an Sie weitergegeben. Sie wiederum erklären,
die Formel sei Ihnen entwendet und an Maxine Lord weitergegeben worden. Sie
behauptet aber, Leo Stahl hätte die neue Formel entwickelt. Was sagen Sie dazu ?«
»Die Formel stammt von mir. Ich
habe zwei Jahre daran gearbeitet .« Sein Gesicht rötete
sich leicht. »Ich nehme an, Sie hat Ihnen erzählt, daß wir heiraten wollten ?«
»Das hat sie .«
»Ich vertraute ihr ganz und
gar. Ich berichtete ihr von dem neuen Parfüm und hatte sogar vor, nach unserer
Heirat die beiden Firmen zu vereinigen und das neue Parfüm als eine Art Symbol
herauszubringen. Dann gingen mir endlich die Augen auf. Ich weiß,
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