Drei Wünsche hast du frei: Roman (German Edition)
die Spitze des Pinsels in karmesinrote Farbe und malt langsam einen Smiley in eine Ecke der Leinwand.
Ich lache, aber Dschinn tritt zurück, verschränkt die Arme und bewundert sein Werk. Dann gibt er mir zu verstehen, jetzt sollte ich mich an dem Bild versuchen. Also spüle ich den Pinsel aus, tauche ihn in die Fuchsiafarbe und verpasse dem Gesicht stachliges Haar. Ich lege eine kurze Pause ein, während die Farbe trocknet – das Gesicht erinnert inzwischen ein bisschen an den Punkertyp aus der Shakespeare-Stunde. Ich habe heute gar nicht daran gedacht, ihn zu zeichnen, wie ich es sonst immer tue – bin gar nicht auf den Gedanken gekommen.
»Viola?«, sagt Dschinn, nachdem ich sekundenlang nicht gesprochen habe.
»Sorry«, sage ich, während ich mich zu ihm umdrehe. »Du bist wieder dran.«
Er schüttelt den Kopf. »Nee. Vollkommenes kann man nicht mehr verbessern.«
»Natürlich«, antworte ich, aber bevor ich weitersprechen kann, höre ich, wie sich draußen Schritte nähern.
Aaron erscheint in der Tür des Kunstsaals. »Hey, Baby«, sagt er mit funkelnden Augen. Im Näherkommen betrachtet er den Smiley auf der Leinwand. »Das ist … also …«
Ich werde rot. »Wir … ich habe einfach bloß rumgealbert.«
»Hey! Das war große Kunst!«, zischt Dschinn hinter mir.
»Na, ich finde es jedenfalls grandios«, zieht Aaron mich auf. Er küsst mich auf die Wange und verschränkt die Finger mit meinen, während ich versuche, nicht mit dem nassen Pinsel an seine Kleidung zu geraten. Aaron ist warm und einladend, aber Dschinns dunkle, auf mich gerichtete Augen sind mir dabei sehr deutlich bewusst.
»Einfach toll«, sagt Dschinn mit einem resignierten Blick. »Noch mal vier Stunden, die ich im Park rumsitzen darf.«
Sorry , forme ich mit den Lippen. Er seufzt, lächelt mir aber noch schief zu, bevor er verschwindet.
Aaron legt mir einen Arm um die Taille. »Komm schon«, sagt er und macht sich auf den Weg zur Tür, wobei er mich hinter sich herzieht.
»Warte«, sage ich mit einer Handbewegung zu dem Gemälde hin. »Ich muss wirklich an dem Ausstellungszeug arbeiten …«
Aaron lässt die Hand über meinen Rücken gleiten, und die Berührung jagt einen angenehmen Schauer durch mich hindurch.
»Wenigstens wegräumen sollte ich meine Sachen«, protestiere ich halbherzig.
Aaron zieht eine Augenbraue hoch. »Räum sie später weg. Es gibt da etwas, das ich dir zeigen muss.«
Ich beiße mir auf die Unterlippe, und er beugt sich vor und küsst mich auf die Stirn. Er lässt eine Hand an meinem Arm abwärtsgleiten und nimmt mir vorsichtig den nassen Pinsel aus den Fingern, um ihn auf eine Anrichte zu legen. Ich sollte ihn auswaschen – es wird den Pinsel ruinieren, wenn die Farbe trocknet. Aaron zieht mich in Richtung Tür.
Die Gänge sind leer und still bis auf die gedämpften Stimmen von Lehrern, die im Pausenzimmer herummeckern, und das Summen der Putzkolonnenstaubsauger. Aaron bleibt stehen, als wir die Tür zum Theatersaal erreicht haben.
»Moment noch«, sagt er und greift in die hintere Hosentasche. Er zieht einen Stoffstreifen heraus, von dem ich mir ziemlich sicher bin, dass er ihn vom Julia-Kostüm abgerissen hat.
»Das soll ja wohl ein Witz sein«, sage ich durch mein Lächeln hindurch, als er Anstalten macht, mir mit dem Streifen die Augen zu verbinden.
»Du machst es einem wirklich nicht leicht, romantisch zu sein«, bemerkt Aaron, also lache ich und gebe nach. So seltsam dies auch sein mag, wer wäre ich, eine romantische Geste auszuschlagen?
Aaron legt mir die Hände auf die Schultern und führt mich in den kühlen Theatersaal. Es riecht nach Sprühfarbe und Moder, und ich höre den Widerhall meiner Schritte beim Gehen. Aaron manövriert mich die Stufen hinauf auf die Bühne.
»Bist du so weit?«, fragt er.
»Ja«, antworte ich eine Spur atemlos.
Nun nimmt er mir die Augenbinde ab. Im Theatersaal ist es fast vollständig dunkel. In der Schwärze der Decke über mir erscheinen winzige funkelnde Lichter, die künstlichen Sterne, die seit einer Ewigkeit bei keinem Stück mehr verwendet wurden. Aaron nickt zum Beleuchterpult hinüber, wo ein paar von seinen Freunden herumhängen. Jemand hebt den Daumen in seine Richtung und schaltet die Bühnenbeleuchtung ein, die Aaron und mich in ein mattes blauviolettes Licht taucht.
»Okay? Als ob es Nacht wäre?«, fragt Aaron mit einer Handbewegung zu den Sternen über uns.
Ich nicke und füge der Geste ein so mädchenhaftes Lachen hinzu, wie ich
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