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Drei Wunder zum Glück (German Edition)

Drei Wunder zum Glück (German Edition)

Titel: Drei Wunder zum Glück (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Bullen
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Sie hatte nicht gewollt, dass ihre Tochter ohne Mutter aufwuchs, und deshalb getan, was sie tun musste. Sie hatte eine andere Mutter für sie gesucht. Das war die einzig mögliche Erklärung. Warum sonst sollte jemand, der so wunderbar und offensichtlich bereit dafür war, Mutter zu sein, die eigene Tochter nicht selbst großziehen wollen?
    Hazel stand nun ebenfalls auf. Zum ersten Mal, seit sie auf der Fähre aufgewacht war, hatte sie endlich das Gefühl zu wissen, warum sie auf die Insel geschickt worden war und was sie zu tun hatte.
    Aber zuerst brauchte sie ein anderes Kleid.

12
    Die Sonne war noch nicht untergegangen.
    Hazel saß auf dem Rand ihres Bettes, ihre Beine wippten auf und ab. Nach dem Abendessen auf der Terrasse – Emmett hatte Krabbenküchlein und einen Sommersalat gemacht – hatte Hazel sich beeilt, zurück ins Gästehaus zu kommen, und dort den Schrank aufgerissen. Jaime war noch vor dem Nachtisch verschwunden, darüber war Hazel erleichtert. Sie hatte keine Ahnung, welche lahme Entschuldigung sie sich ausdenken sollte, wenn Jaime sie erwischte, wie sie in einem festlichen Sommerkleid alleine dasaß und aus dem Fenster starrte.
    Denn genau das war dieses zweite Kleid: festlich. Aus rosa Seide, mit einem Tüllrock wie für eine Primaballerina. Hazel hatte es den Atem verschlagen, als sie es aus der Kleiderhülle gezogen hatte. Es war eindeutig das schönste Kleid, das sie je gesehen hatte.
    Aber sie konnte unmöglich erklären, warum sie es ohne Anlass trug.
    Deshalb hatte sie auch bis zur Dunkelheit gewartet. Sobald die Sonne hinter dem schimmernden Horizont verschwunden war und die Schatten sich über den Feldern ausbreiteten, rannte Hazel barfuß aus der Hütte und den Waldweg entlang.
    Sie hatte gleich gewusst, dass sie zum Teich wollte. Es war der perfekte Ort für ihren zweiten Wunsch. Schließlich hatte sie dort auch die Idee dazu gehabt, und irgendetwas an der Stille des Wassers und dem Schutz der hochaufragenden Bäume fühlte sich bereits nach Magie an.
    Hazel folgte dem Pfad bis zum Steg, wo sie mit Luke gesessen hatte. Der Mond war voll und hob sich fast weiß gegen den indigoblauen Himmel ab. Sie schloss die Augen, eine sanfte Brise drückte den Tüll gegen ihre Beine.
    Hazel war bereit, ihren Wunsch auszusprechen. Den ganzen Nachmittag hatte sie über den genauen Wortlaut nachgedacht, über den perfekten Satz. Wenn Rosanna nur wüsste. Wenn sie wüsste, dass sie achtzehn ganze Jahre vor sich hatte, müsste sie nicht so viel Angst haben. Und wenn sie entdeckte, dass sie schwanger war – was, wenn es noch nicht passiert war, bald geschehen dürfte –, würde sie ihr Kind bestimmt nicht weggeben. Natürlich würde sie es behalten wollen, da war Hazel sich ganz sicher.
    Und alles wäre dann ganz anders: Hazel würde mit ihren wirklichen Eltern aufwachsen. Sie würde geliebt werden, und man würde sich um sie kümmern, statt sie wie ein verlorengegangenes Gepäckstück durch die Gegend zu schicken. Sie würde mit Antworten statt mit Fragen aufwachsen. Mit einer Ahnung davon, welcher Mensch sie sein sollte.
    Genau das war es, was sie sich immer gewünscht hatte, und dies war ihre Chance, dass es wahr wurde.
    Hazel war in Gedanken den ganzen Tag immer wieder Poseys Brief durchgegangen. Rosanna zu heilen war keine Option – das war etwas zu Großes, zu »universal«. Aber wie wäre es, wenn Rosanna sie behielte und großzog, solange sie konnte?
    Hazel holte tief Luft. Sie sah die Worte fast wie von Glühwürmchen erleuchtet vor ihrem geistigen Auge und wollte sie gerade laut vor sich hinflüstern, als sie irgendwo hinter sich ein schwaches Wimmern hörte.
    Zuerst hörte es sich nach einem Vogel an. Hazel öffnete die Augen, drehte sich um und wartete auf ein weiteres Geräusch. Doch alles war ruhig.
    Sie drehte sich zurück zum Wasser und schloss die Augen wieder. Sobald sie tief Luft geholt hatte, war zwischen dem Rauschen der Bäume erneut ein Wimmern zu hören.
    Hazel raffte ihren Tüllrock, und der alte Holzsteg knarrte unter ihren Füßen, als sie darauf zurücklief. Das Wimmern wurde lauter, als Hazel am Rand des Teiches entlang darauf zuging. Gleich hinter einer Baumgruppe stand eine verrostete Metallbank. In einer Ecke zusammengekauert saß da eine Gestalt, und Hazel konnte an den Umrissen der dunklen Locken erkennen, dass es Jaime war.
    Abrupt blieb sie stehen. Jaime hatte sie noch nicht gesehen. Es war immer noch Zeit umzudrehen. Jaime wollte wahrscheinlich sowieso allein

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