Drei Wunder zum Glück (German Edition)
hinaus. Hazel sah ihr nach, bis sie im Wäldchen verschwunden war, bevor sie den Ordner schwer auf den Schreibtisch knallte. Zum ersten Mal war sie allein im Studio, und sie würde die Zeit nicht damit vergeuden, auf Tabellen zu starren. Zumindest noch nicht.
Sie kniete sich vor die Gemälde und sah sie durch, manche waren bereits gerahmt, andere warteten noch darauf. Es gab Bilder von Landschaften, von denen viele die Farm oder Teiche aus der Gegend zeigten, aber auch Porträts. Doch selbst die Gemälde mit einem weiteren Blickwinkel schienen immer irgendwie auf eine Person, ein Gesicht ausgerichtet zu sein. Hazel hielt das kleinere Porträt eines alten Anglers vor sich hoch, um es genauer zu betrachten. Die Falten in seinem Gesicht waren tief und verschmolzen mit dem Schatten des Horizonts hinter seinem Kopf. Hazel konnte gar nicht fassen, wie viel Ausdruck Rosanna in seinen dunklen, nachdenklichen Augen eingefangen hatte.
Zum ersten Mal, seit sie auf der Fähre aufgewacht war, dachte Hazel an ihre Kamera. Sie hatte noch nie Fotos von Menschen gemacht. Es war nicht so, als hätte sie groß darüber nachgedacht; die Gelegenheit hatte sich einfach nie ergeben. Wen hätte sie denn auch fragen sollen? Ganz sicher würde sie nicht zu irgendeinem Fremden auf der Straße gehen. Und bei ihrer Fotografie ging es ja auch nicht darum, mit den Leuten auf den Bildern etwas zu tun zu haben. Hazel machte Fotos, weil es für sie selbst die einzige Möglichkeit war, sich ihrer eigenen Existenz zu versichern: Ich war hier. Es ging darum, sich in einem Moment zu verankern, wenn alles andere wie in der Ferne vorbeizurauschen schien. Es war eine eigenartige, persönliche Verbindung, und Hazel konnte sich nicht vorstellen, dass jemand anderes je damit zu tun haben sollte.
Doch als sie jetzt das ledrige Gesicht des Fischers genauer betrachtete, fühlte sie sich inspiriert. Diese Porträts waren so kraftvoll! Vielleicht sollte sie es doch einmal versuchen.
Hazel lehnte das Bild des Anglers wieder zurück an die Wand und richtete sich auf, dabei stieß sie mit dem Fuß versehentlich ein gerahmtes Bild um. Sie hob es auf und sog überrascht den Atem ein, als sie ein Gemälde von Luke erkannte. Er stand über ein Segelboot gebeugt und machte mit konzentriertem Gesicht einen Knoten. Selbst in der Seitenansicht hatte Rosanna es geschafft, seine Grübchen und das schelmische Funkeln in seinen Augen wiederzugeben.
Schnell drehte Hazel die Vorderseite des Bildes zur Wand, ging an den Tisch und nahm den Ordner. Es war Zeit, mit der Arbeit anzufangen. Schließlich wollte sie sich nicht mit Dingen wie Aufkleber und Preislisten abgeben müssen, wenn Rosanna zurückkam.
Zwei Stunden später, als all die Gemälde ausgezeichnet waren und Rosanna immer noch nicht aufgetaucht war, hatte Hazel das Warten satt. Jaime hatte ihr nicht gesagt, was sie als Nächstes tun sollte, und Hazel hatte keine Lust, immer allein zu bleiben. Dafür hätte sie keine gute Fee mit drei Wunschkleidern gebraucht – und dafür war sie auch nicht in der Zeit und quer durchs Land gereist.
Hazel ließ den Ordner auf dem Tisch liegen und ging über den Rasen zum Haupthaus. Sie schob die Glastür zur Küche auf und hoffte insgeheim, Emmett mit irgendwelchen Köstlichkeiten anzutreffen. Doch das Haus war still. Die einzigen Geräusche kamen vom gleichmäßigen Surren eines Deckenventilators und dem Rauschen der Brandung.
Hazel wollte schon aufgeben, als sie Stimmen vom anderen Ende des Flures hörte. Leise ging sie an einer Reihe von Fotos an der Wand vorbei. Es waren einige von Rosanna und Billy dabei, viele von Billy und Buster, dem Hund, und eines von Luke mit einer Frau, die Rosannas Zwilling hätte sein können – offensichtlich Lukes Mutter. Meine Tante , dachte Hazel mit einem ungläubigen Schaudern. Es gab sogar ein Foto von einer jüngeren Jaime, auf dem sie auf einem Karussellpferd saß und richtig glücklich aussah.
Der Flur führte um einen anderen Flügel des Hauses herum, und als Hazel ihn entlangging, wobei sie ihre Füße ganz vorsichtig auf die gebohnerten Holzdielen setzte, wurden die Stimmen immer lauter und heftiger. Eine Stimme war sehr viel lauter und wütender als der Rest, und Hazel wurde klar, dass sie aus einer Tür am Ende des Flurs kam.
Sie sah, wie sich ein Schatten unter der Tür bewegte, und drehte sich schnell um, doch es war zu spät.
Die Tür wurde aufgerissen, und Jaime stürmte heraus, ihre Wangen gerötet und ihre Augen rot und
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