Drei Wunder zum Glück (German Edition)
war nicht so, dass ihr Jaime nicht leidtat. Natürlich tat sie ihr leid! Sie mochte sich gar nicht vorstellen, was ihr alles durch den Kopf gehen musste. Rosanna war krank, das Anwesen wurde verkauft, und jetzt das? Trotzdem kam Hazel die ganze Fahrt für sich persönlich wie Zeitverschwendung vor.
Der Bus hielt an, und Hazel folgte Jaime hinaus.
Falmouth Center war ein malerisches kleines Örtchen mit Souvenirläden und Cafés, ähnlich wie in Vineyard. Aber obwohl Hazel erst seit ein paar Tagen auf der Insel war, konnte sie bereits den Unterschied zum Festland spüren. Vielleicht war es eine Frage der Geschwindigkeit. Oder nur das Wissen im Hinterkopf, dass sie da, wo sie jetzt stand, mit dem Rest des Landes verbunden war, im Gegensatz zur Insel, wo sie immer das Gefühl hatte dahinzutreiben. Sie wusste nicht warum, aber sie vermisste dieses Gefühl bereits.
Jaime schlängelte sich zwischen den Autos auf beiden Spuren der Straße hindurch, und Hazel folgte ihr. Gegenüber befand sich ein niedriger Backsteinbau, etwas zurückgesetzt von der Straße, mit einem kleinen ovalen Aushänger, der hin und her schwang. FALMOUTH FREIE FRAUENKLINIK stand darauf. Hazel blieb kurz stehen und las das Schild noch einmal. Den Ausdruck »Freie Frauenklinik« fand sie merkwürdig. Aber »Kostenlose Klinik« wäre wahrscheinlich noch komischer.
»Worauf wartest du denn?«, rief Jaime genervt vom obersten Treppenabsatz herunter. »Warum gibst du nicht gleich eine Anzeige in der Zeitung auf? Jaime Wells ist schwanger!«
Hazel beeilte sich, die Treppe hochzulaufen. Jaime stand mit einer Hand auf dem Türknauf da und starrte auf ihre schmutzigen Turnschuhe. Sie hatte ihre normalen Sachen an, geflickte, knielange Jeans und ein ausgeblichenes blaurotes Coca-Cola-T-Shirt. Sie sah nicht einmal alt genug aus, in einen Film mit Altersbeschränkung zu gehen, geschweige denn alt genug für den Besuch einer Frauenklinik, ob die nun frei war oder nicht.
Hazel trat neben Jaime und öffnete die andere Türhälfte. »Bereit?«, fragte sie und gab sich Mühe, sowohl freundschaftlich als auch aufmunternd zu klingen.
Jaime verdrehte die Augen, drückte die Tür auf und ging hinein. »Nichts wie rein.«
Das Wartezimmer war laut und überfüllt, was Hazel nicht erwartet hatte. Junge Mütter (die meisten nicht so jung wie Jaime, aber auch keine richtigen Erwachsenen) schoben Kinderwagen oder hielten quengelnde Babys auf dem Schoß. Auf einem niedrigen Sofa in der Ecke lag eine hochschwangere Frau mit einem Waschlappen auf der Stirn. Das Ganze hätte ein gutes Fotomotiv für ein Plakat des Gesundheitsministeriums sein können, sich bis zur Heirat aufzuheben.
Oder für die Ewigkeit.
Jaime sah sich rasch im Wartezimmer um, und nachdem sie niemanden erkannt hatte, ging sie zur Rezeption. Eine dickliche Frau mit blondem Kraushaar und zu viel Wimperntusche reichte ihr ein Formular auf einem Klemmbrett. »Füllen Sie das aus und nehmen Sie Platz«, befahl sie zwischen zwei Schlucken aus einer Dose Orangenlimonade.
Hazel ging Jaime voraus zu zwei freien Plätzen neben der Tür. Sie saß schweigend da, während Jaime das Formular durchlas und dabei mit dem Ende des Kugelschreibers immer wieder gegen den Metallhalter oben am Klemmbrett klopfte. Ihnen gegenüber saß ein junges Paar, das etwa in ihrem Alter war. Das Mädchen hatte glattes schwarzes Haar bis zur Taille, und der Junge umfasste die Armlehnen seines Stuhls, als wären sie das Einzige, was ihn davon abhielt, auf der Stelle zu fliehen. Sie bemühten sich krampfhaft, einander nicht anzusehen und auch niemand anderen. Hazel schluckte und blickte auf den schmutzig grauen Teppichboden. Das Pärchen sah aus, als hätte es eine ganz eigene Geschichte zu erzählen, und Hazel war sich ziemlich sicher, sie gar nicht hören zu wollen.
»Also gut«, sagte Jaime plötzlich. »Danach weiß ich es wohl ganz sicher.«
Hazel blickte hoch und überlegte, was sie Aufmunterndes sagen könnte.
»Es ist immer besser, Bescheid zu wissen, als … ähm … es … nicht zu wissen«, war ihre lahme Antwort.
Jaime schaute sie an. Sie hatte dunkle Ringe unter den Augen, und ihr lockiges Haar war zerzaust. Sie sah ängstlich aus.
»Wow«, sagte sie trocken. »Ich hoffe, du ziehst nicht eine Karriere als Motivationscoach in Erwägung.«
Hazel ließ die Schultern hängen, doch kurz darauf zuckten Jaimes Mundwinkel, und sie kicherte. Es war ein Klang, den Hazel noch nie vorher gehört hatte, und vielleicht war es auch der
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