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Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2

Titel: Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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raus?!«
    So also. Hier heißen sie also Heimwehr. Heimwehr oder Stahlhelm. Weiß-grün oder Braun. Hakenkreuze ... nein, Hakenkreuze haben die noch nicht.
    Leonie klammert sich an Antons Arm fest, den sie eben noch abgeschüttelt hatte.
    Inzwischen blökt einer, der Anführer bestimmt, in bestem Wienerisch nach der »Judensau von G’schäftsführer«.
    Aus einer Seitentür neben der Bühne kommt ein noch junger Mann, Brille, gescheiteltes Haar, schwarzer Anzug. Er ist bleich wie der Tod. »Was schaffen S’ die Herren?«, hört Leonie, und dann noch die Antwort: »Ihr Gesindel singt’s hier ausverschamte Sprücherl gegen die ehrlichen Leut’? Von Wienern und Juden? Das können wir ja vorführen!« Zwei der Weiß-grünen halten den Mann fest. Ein dumpfes Stöhnen. Ein Dritter schlägt zu. Nicht hinsehen!
    Da ist die offene Seitentür, die Tür, aus der der junge Mann erschienen ist ...
    In Anton kommt Leben. »Los! Los doch!«
    Sie ist wie gelähmt, aber er reißt sie von ihrem Stuhl hoch, rennt mit ihr zu der Tür, zerrt sie aus dem Saal. Hört hinter sich das Krachen und Splittern von Glas, das Schreien und Brüllen. Es war der letzte Moment, um hier rauszukommen. Nun werden sie da drin wohl mit ihren Knotenstöcken die Tische »abräumen«. Ihren Hut, fällt ihr ein, den hat sie vergessen.
    Mit halbem Blick nimmt sie die offene Garderobe der Mitwirkenden wahr: Schwach bekleidete Tänzerinnen und kostümierte Darsteller, der Sänger und sein Klavierspieler – sie alle raffen gerade in Panik ihre Sachen zusammen und sind dabei, mit offenen wehenden Mänteln fluchtartig den Raum zu verlassen. Sie müssen beide nur hinter ihnen herlaufen, um nach draußen zu kommen.
    Keiner sagt ein Wort. Sie rennen keuchend über den Hof und passieren einen Durchgang, gelangen auf die Straße. Die Mitglieder der Rolandbühne vor ihnen, im Kostüm zum Teil noch, zerstreuen sich hierhin und dorthin.
    Leonie keucht, ihr Herz klopft zum Zerspringen. Sie lehnt sich an die Hauswand, presst die Hände vor den Mund und würgt. Dann dreht sie sich um und erbricht sich, entledigt sich des Champagners, den sie eben noch so angeregt und beschwingt, so aufgewühlt und beglückt zu sich genommen hat.
    Sie spürt Anton neben sich, seine Hand, die ihr die Stirn hält. Als Samariter ist er wirklich hilfreich ...
    Sie stehen nicht weit entfernt von der Eingangstür des Kabaretts. Die fliegt plötzlich auf und die ersten Besucher kommen in Panik herausgestürzt; Gejohle und Geschrei folgt ihnen wie eine Lawine.
    Anton packt sie am Ellenbogen. »Komm, um Gottes willen! Komm weg hier!« (Er duzt sie weiter, es ist recht so in einem solchen Moment.)
    Sie lässt sich fortziehen. Der Schmerz in ihrem Rücken istnoch immer da. Mit wankenden Knien schafft sie es bis zu der Kreuzung, wo Praterstraße und Taborstraße auf die Schwedenbrücke münden.
    Die Tabak-Trafik. Heute Abend brennt kein Licht im Kiosk. Es gibt wohl Leute, die wissen, was geschehen wird. Sie bleiben an solchen Abenden zu Hause. Schalom, Hanna. Bald soll’s nach Palästina gehen. Sehr vernünftig.
    Sie bleibt stehen, presst den Kopf gegen die blinde Scheibe, hinter der sich die Zeitungspacken stapeln. »Ich kann nicht mehr.«
    »Wart in Gottes Namen hier. Ich treib an Fiaker auf. Kann ich dich allein lassen?«
    Sie nickt. Er entfernt sich eilig, und sie hat das Gefühl, dass sie jeden Moment zusammenrutschen wird hier an dem kalten, dunklen Kiosk. Anton, beeil dich! Immer mehr Leute laufen an ihr vorbei, aber jetzt sind es nicht nur die Besucher des Kabaretts. Jetzt sind es auch schon die siegestrunken brüllenden Angreifer, die sie verfolgen, einholen ... Irgendwo weiter fort hört sie Schreie und dumpfe Schläge.
    Sie wagt kaum zu atmen, hofft, unsichtbar zu sein. Ist es vorbei? Sind alle weg?
    Schritte eines Einzelnen. Sie schließt krampfhaft die Augen, presst den Kopf weiter gegen die Scheibe, die Hände gespreizt. Will eins werden mit dem Glas. Will unsichtbar sein.
    Die Schritte zögern. Stille hinter ihr.
    Dann ein Lachen und ein Geflüster: »Hallo Judenbraut! Kleine Hure! Bist da vorhin als Erste raus, hab dich genau gesehen! Haben wir deinem kleinen Beschützer ’s Laufen beigebracht? Na, den Part von dem übernehm ich doch gern, meine Süße!«
    Eine raue, breite Hand packt sie am Nacken, dreht sie herum. Sie kann sich nicht wehren. Im Schein der Straßenlaterne starrt sie in ein Gesicht mit stechenden, eng zusammenstehenden Augen und einem blonden Schnauzer. Drüber die

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