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Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2

Titel: Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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kennt sie schon. Die Tür zu dem kleinen Raum ist geöffnet.
    Umgeben von sanft schimmernden elektrischen Lampen aus mattem geschliffenem Glas sitzt Felice Lascari an ihrem Rokokoschreibtisch und sieht ihr entgegen. Sie trägt ein Hauskleid aus braunem Samt. Ihre bloßen Füße ruhen auf einem purpurroten Taburett. Leonie sieht: eine Inszenierung. Man hat sie erwartet.
    »Es hätte mich gewundert, wenn du nicht gekommen wärst«, sagt die Schauspielerin. »Anton hat mir von gestern Abend erzählt. Eine schöne Bescherung. Komm, setz dich.«
    Sie deutet auf einen kleinen Hocker vor dem Schreibtisch, auf dem Leonie niedriger sitzt als sie selbst. Als sei sie die Angeklagte bei einem Verhör. Das passt ihr nicht.
    Indessen fährt Felice fort. »Letztlich kannst du tun und lassen, was du willst. Aber du hast gestern euch beide in Gefahr gebracht. Ich will nicht, dass Flusch ... dass Anton verwickelt wird in diese ... diese Geschichten. Du bist Gast in diesem Haus. Und ich dulde nicht, dass durch dich etwas hereinschwappt, was ich fernzuhalten versuche.«
    Leonie schüttelt den Kopf. »Ich wusste nicht, dass du dies Palais für eine Insel hältst«, sagt sie ruhig. »Wach auf, Felice! Was soll hier ›hereinschwappen‹? Du hast es doch längst im Haus. Dein Joseph – ich habe es gesehen, hier in deinem Haus. Er hat die Uniform dieser Heimwehr ganz offen in seinem Spind herumhängen. Und übrigens, ich bin nicht hierhergekommen, um mich zu entschuldigen.«
    Felice mustert sie schweigend von oben bis unten. Dann schüttelt sie den Kopf. »Wenn ich gewusst hätte, was für eine sperrige Person du bist ... ich weiß gar nicht, ob ich die ganze Sache angegangen wäre.«
    Oh doch, das wärst du, denkt Leonie. Ganz egal wie sperrig oder geschmeidig, wie begabt oder wie tölpelhaft die Person war, die da zu dir kam – du hättest Ja gesagt, damit du weiter so leben kannst wie bisher. Es ist eine reine Geldfrage. Sie reckt sich hoch auf ihrem komischen Hocker, auf dem sie platziert worden ist, hebt das Kinn.
    »Ich weiß nicht, was Anton dir erzählt hat. Aber da, wo wir waren, da haben sie freche neue Chansons gesungen und die alten jüdischen Lieder und rebellische Tänze getanzt, und um ein Haar wäre ich aufgesprungen und hätte mich auch auf die Bühne gestellt, um mitzumachen.«
    »Ja, das hat er mir gesagt«, erwidert Felice. Sie spielt mit einem Brieföffner aus Elfenbein, einem Minidolch, der oben in einem geschnitzten Wolfskopf mit gebleckten Zähnen endet. »Was sollte es denn werden? ›Avram avinu‹ vielleicht?« Sie lächelt amüsiert.
    »Genau, ›Avram avinu‹!«, erwidert Leonie. Ihr wird heiß unter dem Spott der anderen. »Weil da so etwas war wie ein ... ein jüdisches Lebensgefühl, von dem ich weiß, seit ich Isabelle kenne.« (Von Schlomo und seinen Eltern will sie nicht reden. Nicht vor den Ohren dieser Frau, die doch alles nur mit Hohn und Spott bedenken würde.) »Und ich war dabei, ich gehörte dazu in meinem Herzen. Und dann – dann geschah das . Und es hat mich an entsetzliche Dinge erinnert, die ich in Berlin erlebt habe.« Sie atmet tief durch. »Hass und Gewalt, ein Pogromund schließlich Brandstiftung, Mord und Totschlag. Ich war mittendrin, glaub mir! Du weißt nichts davon und ich muss es dir auch nicht erzählen. Und nun hier – hier beginnt es wieder für mich. Und es ging nicht gegen ein paar arme hilflose Ostjuden, sondern in dieser Veranstaltung gestern Abend saßen reiche und gewiss auch angesehene Männer der Stadt und waren auf einmal nur noch Judengesindel und den Knüppeln dieser Schläger ausgesetzt. Und ich – einer von diesen Kerlen hat mich ... er hat mich angefasst. Ich konnte mich kaum wehren. Es war widerlich.« Sie schließt für einen Moment die Augen. Dies Gesicht mit dem blonden Bärtchen. Sie kann es nicht vergessen.
    »Und deshalb verlangst du jetzt, dass ich dir das Mem herausgebe. Habe ich recht?«
    Felice hat mit erhobener Stimme gesprochen, blitzschnell über den Tisch vorgebeugt.
    »Ja«, sagt Leonie. (Felice, wie gelange ich zu dir?)
    (Überzeugen. Reden. Reden wie mit Engelszungen.)
    »Aber begreifst du denn nicht, was das bedeutet, was ich da gestern erlebt habe, zusammen mit Anton? Diese Feindlichkeit – sie gilt allen, jedem, der nur entfernt mit Judentum zu tun hat. Sie gilt dir, der großen Felice Lascari, genauso wie dem Bettler, der auf der Schwedenbrücke sitzt neben seiner verstummten Geige, und dem Hausierer, den die Kinder verhöhnen.
    Das ist es,

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