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Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2

Titel: Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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über so viel Unverstand, während sie ein grobkörniges Leinenhandtuch herbeibringt und darauf besteht, mir selbst die Füße abzutrocknen. »Da denken die Leute immer, das ist ja bloß das Mittelmeer! So etwas würden Sie doch in Deutschland bestimmt nicht machen!«
    Ich muss lachen. »Ach, Madame, wie Sie vielleicht wissen, komme ich aus Berlin, und das liegt nicht am Meer.«
    »Ach so, ich verstehe«, sagt sie mitfühlend. »Da waren Sie wohl einfach neugierig.«
    (Neugier scheint ihr nicht fremd zu sein, denn die ganze Zeit mustert sie mit Elsterblicken meine verbundene Hand.)
    Als Nächstes werde ich mit Wollstrümpfen und einem Glühweinversorgt, und dann führt Monsieur von der offenen Tür seines Bistros aus (der stürmische Wind hat hier in der Gasse weniger Gewalt) einige Gespräche mit Passanten. Was zur Folge hat, dass binnen kürzester Zeit ein dreirädriger Lieferkarren auftaucht, dessen Motor röhrt wie ein brünstiger Hirsch, und ich zum Einsteigen aufgefordert werde. Als der Wirt die Wagentür hinter mir geschlossen hat und ich mich zurücklehne, fühle ich plötzlich, wie erschöpft ich bin, wie müde. Dröhnend startet der Karren, und es geht hinaus aus der Stadt, in Richtung Hermeneau.
    Am Steuer des Wagens sitzt ein junger Mann, braunäugig, hübsch, mit einem kleinen Oberlippenbärtchen. Gegen die Kälte hat er sich einen Schal um den Hals gewickelt. Der kleine Wagen ist nicht verglast, es gibt nur eine Art Zellglas-Bespannung und es zieht an allen Ecken und Enden. Ich schließe die Augen.
    Als wir schon fast am Schloss sind, spricht mich der Junge an. »Mademoiselle sind doch die Berliner Verwandte von den ... den Schlossbewohnern, nicht wahr?«
    Ich nicke, ohne die Augen aufzumachen.
    »Ich habe Mademoiselle schon einmal gesehen – im Sommer. Da bin ich mit Freunden spazieren gegangen und Sie saßen mit Ihrem Grandpère bei Monsieur Fedan.«
    (Den Grandpère, also den Großvater, lasse ich so stehen.) Ich nicke nochmals. Erinnere mich, dass ein ganzer Pulk junger Leute vorbeidefilierte und mich musterte. Es gefiel mir damals ...
    Damals. Jetzt will ich in Ruhe gelassen werden. Will nicht reden. Nicke wieder.
    »Mademoiselle findet es schön hier bei uns?«
    Drittes Nicken. Ja, das auch.
    Wir biegen auf den Schlosshof ein. Mein junger Fahrer zieht eine knirschende Handbremse.
    »Kommt Mademoiselle einmal wieder nach Cerbère? Ich könnte Sie auch abholen ... «
    »Ja«, sage ich. »Danke«, sage ich.
    Auf Hermeneau verliert niemand ein Wort über mein Abenteuer am Wasser, wenngleich ich in fremden Wollsocken daherkommeund meine Strümpfe, die ich in einem Beutel mitbringe, vollgesogenen Schwämmen gleichen.
    Aber wie auch immer: Mir kommt zu Bewusstsein, dass ich während dieses ganzen nassen Abenteuers meinen Kummer nicht gefühlt habe …

10
    Keine drei Tage später biegt das dreirädrige Lieferauto mit dem brüllenden Motor wieder in den Schlosshof ein. (Leonie, durch den Lärm angezogen, ist ans Fenster getreten.) Auf der Beifahrerseite klettert die rothaarige Clémence heraus, wie immer beladen mit Taschen und Körben voller Lebensmittel. Hat sie also ein bequemeres Transportmittel gefunden als ihr Fahrrad, denkt Leonie, das ist bei diesem Wetter sowieso ein ungutes Vehikel.
    Sie tritt vom Fenster zurück und horcht auf das röhrende Geräusch des Autos von da unten. Sie möchte einen Spaziergang machen und hat keine Lust, dem jungen Mann zu begegnen. Aber es bleibt still. Trotzdem holt sie den dicken roten Pullover aus dem Schrank, zieht ihn sich über den Kopf und nimmt den Regenmantel vom Haken. Bereit für einen Gang. Sie wartet. Nichts. Stattdessen klopft es bei ihr.
    Auf ihr »Herein!« hin öffnet sich die Tür, und auf der Schwelle steht tatsächlich Clémence, noch im Mantel, das Kopftuch umgebunden, und sieht sie von unten her an, fast wie man einen Feind fixiert. (Leonie weiß ja, dass Clémence ihren Mann im Krieg gegen die Deutschen verloren hat! Aber warum tut sie immer so, als könne sie, Leonie, etwas für diesen Krieg? Der ist immerhin sechs Jahre her.)
    Sie bemüht sich, Clémence anzulächeln, aber ihr Lächeln wird nicht erwidert. Die Frau sagt: »Bertrand möchte Sie sprechen, Mademoiselle.«
    »Bertrand? Wer soll das sein?«
    Clémence presst die Lippen aufeinander.
    »Der junge Mann, der Sie kürzlich aus Cerbère hergebracht hat«, sagt sie, offensichtlich in dem Glauben, Leonie hätte denNamen vergessen. Ihr ist anzumerken, wie furchtbar arrogant sie das von

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