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Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2

Titel: Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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beschließe, hiernoch eine Weile zu bleiben. Vielleicht lauert dieser Bertrand noch hinter der nächsten Ecke, um mich abzupassen. Darauf habe ich keine Lust.
    Ich gehe weiter durch die Reihen und besehe mir die Gräber, lese die Namen auf den Steinen, diese Grandiers und Macholets, die Morceaus, Pointiers und Bajous. Dann ist da das Denkmal für die Kriegsopfer. Nein, zwei sogar. Eins für die von 1870/71, das andere für die Gefallenen des Krieges 1914/18. Auf dem steht bestimmt auch der Name von Clémence’ Mann ...
    Hinten an der Mauer entdecke ich eine abgesonderte Ecke mit Grabstätten. Fünf Familiennamen. Testard, Zullot, Lambertien, Royal, Girardon. Und alle sind im gleichen Jahr, im Jahr 1897, gestorben. Eine Seuche vielleicht? Aber wenn man die Lebensdaten anguckt: Es sind keine Kinder darunter.
    Merkwürdig.
    Irgendwann werde ich jemanden danach fragen, Gaston vielleicht. Oder einen der Einheimischen. Den Wirt vom Bistro. Oder Clémence?
    Ich friere, wickle mich in meine Regenhaut.
    Mit schnellen Schritten gehe ich über den knirschenden Kies zum Friedhofstor, betrete den Schotterweg. Kein Bertrand, zum Glück wartet er nicht auf mich.
    Es geht immer bergab, vorbei an den weißen Mauern des Hotels La Vigée. Ein ziemliches Stück Weg.
    Bei Monsieur Fedan im Bistro bin ich denn doch erschöpft. Es ist früher Nachmittag. Der Wirt mustert mich besorgt, sagt aber nichts. Er kümmert sich um eine andere Fahrgelegenheit für mich.
    An die Gräber denke ich nicht mehr.
    Als ich auf dem Schlosshof aussteige, entdecke ich Clémence irgendwo da im Schatten des Vestibüls, und wer weiß, vielleicht hat sogar am Salonfenster eine Gardine gewackelt.

11
    Die Wochen vergehen. Die Hand wird gesund. Langsam versiegen die Tränen und eines Tages hat sie sich von dem Kleid mit dem zum Zeichen der Trauer eingeschnittenen Kragen getrennt. Es hängt im Schrank; zusammen mit den anderen, inzwischen ausgepackten Sachen.
    Von dem Ausflug ans Meer seinerzeit ist Leonie ja der rote Pullover mit Zopf muster geblieben, die Kappe und der Mantel, der Wind und Wetter abhält. Nur ihre Schuhe sind dahin, aber da sie mit Isabelle die gleiche Größe hat, werden ihr stillschweigend ein paar Stiefel aus dickem Ziegenleder vor die Tür gestellt, als wenn der Nikolaus gekommen wäre, und genauso stillschweigend zieht sie die an, wenn sie zu Spaziergängen aufbricht.
    In Cerbère war sie nicht wieder.
    Jetzt, wo das Wetter endlich besser wird, macht sie sich auf wie damals im vergangenen Jahr; geht in die Weinberge, wo die kahlen Rebstöcke knorrig dastehen wie gedrehte Taue, vorbei an der Piniengruppe, in deren Schatten sie im Sommer gesessen hat und am Überlegen war, ob sie nicht gleich wieder fortreisen sollte, wegen der Dinge, die Isabelle und Gaston ihr von ihrer jüdischen Familie erzählten, und wegen der fantastischen und absurden Forderungen, die man an sie stellte. Jetzt liegt eine dichte weiche Schicht von Nadeln am Boden, aber es ist immer noch zu kalt, sich draufzusetzen. Es ist bestimmt noch lange zu kalt.
    Bisher lässt sich nicht einmal eine Eidechse sehen. Solche Tiere brauchen auch ein bisschen Wärme.
    Die Möglichkeiten, herumzulaufen, sind begrenzt – das entdeckt sie nun, da sie länger hier ist. Jedes zugängliche Stückchen Land ist hier bebaut, Reben und Olivenbäume wechseln einanderab, und wo nichts angebaut wird, ist es so steil, dass nur die Ziegen dort weiden können.
    Zu Spaziergängen lädt eigentlich erst die Hochebene ein, jene Gegend, in der sie Isabelle und Gaston damals begrüßt haben mit einem verzaubernden Festmahl im Sternenlicht (Fleisch überm offenen Feuer und Wein, der nach Tannennadeln schmeckte, dazu Musik aus einem Grammofon). Aber das ist wieder so etwas, wohin sie nicht zu Fuß gelangen kann, und sie will ja nicht ständig die alten Leute als Chauffeure bemühen, obwohl die bestimmt nur darauf warten, ihr gefällig zu sein.
    So legt sie längere Pausen in der Bibliothek des Hauses ein. Leonie liebt Bücher. Zu Hause in Berlin hatte sie ihre eigene kleine Bibliothek, die hauptsächlich aus Dramatik bestand, schließlich wollte sie Theaterstücke kennenlernen für ihren künftigen Beruf. Aber auch der Vater hatte eine eigene Büchersammlung, die liebevoll ergänzt wurde: Geografisches, Geschichtliches vor allem und Kochbücher aus der ganzen Welt. Sie empfindet so etwas wie Ehrfurcht vor schönen Büchern.
    Hier nun fällt ihr ein Shakespeare in die Hände, eine edle Gesamtausgabe, in

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