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Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2

Titel: Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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hochhebt und die Gläser bis an den Rand füllt.
    Im Nu verwandelt sich die ausgeschenkte, vorher farblose Flüssigkeit in ein milchig trübes Getränk; das kennt Leonie von ihrem Sommeraufenthalt hier: Pastis, ein Anisschnaps, der die Farbe von Nebel bekommt, wenn man ihn mit Wasser verdünnt. Damals hat ihn Gaston in Cerbère in einer kleinen Bar getrunken. Aber dies hier ist ja wohl keine Bar. Und damals trank sie ausschließlich Wasser. Jetzt fordert ihre Ahnfrau sie unmissverständlich auf, das Zeug zu kippen, so wie sie es selbst tut, nämlich auf einen Zug. Und Leonie macht es nach.
    Es brennt, es betäubt den Mund, wie wenn man Lakritze kaut, und es erfüllt den Magen mit beißender Wärme.
    Danach endlich kommt man zur Sache. Das ist offenbar so etwas wie ein Laden für Fischersachen ... Jedenfalls, Isabelle kommandiert, und Leonie, durch den scharfen Schnaps leicht benommen, lässt es mit sich geschehen und wird in einer Kabine (eigentlich nur ein Vorhang zwischen zwei Regalen) eingekleidet mit einem dicken Pullover aus roter Wolle mit Zopfmuster, ein paar Galoschen aus Gummi – Überschuhe, die man über das eigentliche Schuhwerk zieht, um es vor Nässe zu schützen –, einem lackierten weiten Mantel in Schwarz und einer Lederkappe.
    »So«, sagt Isabelle. »Nun kannst du ans Meer.«
    Sie treten beide wieder hinaus in den stürmischen Tag.
    »Da am Fuß der Klippen!« Sie deutet auf die kleine sandige Bucht, die sich unterhalb von La Vigée sichelförmig wölbt. »Da kannst du auf den Steinen entlanglaufen. Das tun die Muschelfischer auch. Ein bisschen vorsichtig musst du sein, denn das istrutschig da. Wegen der Algen. Aber keine Angst. Es ist nicht tief. Passieren kann dir nichts.«
    Damit dreht sie Leonie den Rücken zu und wendet sich zum Gehen, zurück zum Auto.
    »Aber wie komme ich nach Hermenau?«
    Isabelle dreht nur den Kopf. »Monsieur Fedan, der Wirt vom Bistro«, sagt sie lakonisch. »Du kennst ihn ja vom letzten Mal. Geh zu ihm. Er findet jemanden, der dich bringt.«
    Sie lächelt halb spöttisch, halb grimmig, startet den Wagen und fährt mit quietschenden Reifen vom Platz, weicht im letzten Moment einem Eselskarren aus und rast in Richtung Ortsausgang.

9
    Ich sehe dem entschwindenden Wagen nach, stehe da und fühle mich überrumpelt. Noch nie habe ich Isabelle so rigoros erlebt, außer wenn es um die »großen« Dinge ging, um das Fortschreiten und die Fortschritte ihres Plans. Meine Wangen glühen von dem, was ich da getrunken habe, meine Hand macht, was sie eben so macht, und hinter all dem wittere ich einmal wieder irgendeinen pädagogischen Zweck, und so etwas hat mir noch nie gefallen. Aber gegen wen sollte ich jetzt meinen Protest richten?
    Also mache ich mich auf in dem wetterfesten Mantel und stapfe in meinen neuen Gummigaloschen los, die Stufen hinunter zum Strand. Es geht sich schwer in dem nassen Sand, er will mich festhalten.
    Hier in der Bucht ist der Sturm kaum zu merken. Das Wasser ist ziemlich ruhig, es klatscht in lang auslaufenden Wellen gegen den Leib des Lands und hat allerlei Unrat herbeigetragen: Teile eines Flechtkorbs, grüne Flaschenscherben, Korkstücke von Netzen liegen verstreut zwischen Resten von Muschelschalen. Das abgenagte Skelett eines Fischs, Holzstücke, mürbe vom Salzwasser, ein zerbrochenes Ruder.
    Dann endet der kurze Sandstrand und der Fels beginnt.
    Zunächst gibt es da noch eine Art Pfad, eine schwarze, poröse Kante, glänzend wie Achat, schlängelt sich zwischen See und Klippe. Immer mal wieder schwappt das Wasser darüber und netzt mir die Sohlen. Das ist wohl das, was Isabelle meinte. Dass man auf den Steinen entlanglaufen kann. Aber dann verwandelt sich diese Kante, dieses Band. Nun ist es nur noch eine Folge von Steinen, mal größer, mal kleiner. Man gelangt entweder mit langen Schritten von einem zum anderen oder man muss springen.
    Die Steine sind von glitschigen grünen Algen überzogen, Algen, deren lange Bärte im bewegten Meer hin und her schwanken. Ja, es ist extrem rutschig. Das hatte Isabelle ja auch gesagt.
    Ich muss nach unten sehen, muss gucken, wohin ich trete. Im glasklaren Wasser entdecke ich die Muscheln, dunkle, aneinander- geklammerte Kolonien von Lebewesen; auch durch sie geht die Bewegung der Wellen. Es ist, als würden sie atmen. Alles bewegt sich da unter mir.
    Ich biege um eine Felsennase und der Sturm hat mich wieder erwischt, er peitscht mein Gesicht mit eisigen Nadeln.
    Und dann weiß ich nicht mehr, wohin ich

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