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Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2

Titel: Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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sie bald merkt.
    Denn dies Frauenzimmer Eve zeigt im Verlauf des Stücks, dassdas sperrige Benehmen, die Forschheit und Derbheit nur Fassade sind, um ihre Verletzlichkeit und Verletztheit zu verbergen. Wie ihre Stimme, hoch und schrill und laut, auf einmal wegbricht und kiekst, als wäre sie im Stimmbruch, wie sie plötzlich vergisst, die Schultern gerade zu halten und sich zusammenkrümmt, als würde sie frieren, wie sie, selbst wenn sie schimpft, verzweifelt die Hände knetet – das ist anrührend und erstaunlich. Und wenn dann die Wahrheit ans Tageslicht kommt, wenn sie ihren Bräutigam aufhetzt, gegen den entlarvten Richter vorzugehen, wenn sie wie eine Furie über die Bühne rast und plötzlich tiefstimmig röhrt: »Auf! Schmeiß ihn von dem Tribunal herunter!«, dann bricht ein Sturm des Gelächters im Zuschauerraum los und geht über in tosenden Beifall, und Leonie selbst klatscht sich die Hände wund, denn die Frau da unten ist wirklich eine große Schauspielerin.
    Auch am Ende der Vorstellung erntet die Lascari den Löwenanteil am Beifall. Sie ist der Publikumsliebling.
    Und jetzt wird die Begegnung mit ihr stattfinden. Leonie sieht dem nicht ohne Beklemmung entgegen. Es ist, als würde sie mit einem der Großen des Berliner Theaterlebens, mit dem Schauspieler Bassermann oder dem Regisseur Jessner, zu Abend essen – und demnächst auch noch mit ihm unter einem Dach leben.
    Ein livrierter Theaterdiener kommt und holt sie ab.

6
    Am Bühnenausgang vorhin haben sie sich begrüßt und wechselseitig die Namen genannt, Leonie und Felice. Dann sind sie mit der hauseigenen Kalesche – der Kutscher hat auf sie gewartet – hierhergefahren, ohne ein Wort zu sagen. Leonie respektiert, wie sich ein Theatermensch nach der Vorstellung verhält. Das ist bei jedem anders. Diese Frau hier braucht vielleicht erst einmal Ruhe. Während des Fahrens (jetzt bei geschlossenem Verdeck) hat sie ein Ledertäschchen geöffnet, ihm Lippenstift und Puderdose entnommen und sich mit der Routine eines Menschen, der das jahrelang macht, sozusagen im Blindflug das Gesicht hergerichtet, was Leonie ein bisschen wundert, denn bestimmt hat sie das ja in ihrer Garderobe nach dem Entfernen der Bühnenschminke schon einmal getan.
    Sie steigen aus, noch immer stumm, und der Kutscher zieht seine Mütze und öffnet vor ihnen die Tür. Dann geht er zurück zu seinem Gefährt.
    Leonie wusste nicht, wohin es geht. Sie dachte, zurück ins Palais. Aber nein. Es ist ein Restaurant.
    Das ist also eins der berühmten Wiener Kaffeehäuser, von denen alle Welt spricht! Ein verräuchertes, von Stimmengewirr, Gelächter und Geschirrgeklapper erfülltes schmales Lokal, die Wände zwischen den Spiegeln vollgeklebt mit Zeitungsausschnitten, Karikaturen irgendwelcher Zeitgenossen, blassbraunen Fotos von kostümierten Menschen (bestimmt bedeutende Komödianten in bedeutenden Rollen), mit Theaterplakaten und Ausstellungsankündigungen; sperrige Kleiderständer brechen fast zusammen unter der Last der Mäntel und kein einziger Tisch ist frei.
    Während sie durch das Lokal gehen, beobachtet Leonie, dassdie Schauspielerin jeden Spiegel »mitnimmt«, jede Gelegenheit benutzt, sich zu kontrollieren.
    Ein glatzköpfiger Kellner im Frack eilt auf sie zu und nimmt ihnen die Mäntel ab. Felice Lascari steht einen Moment still im Raum, sodass jeder sie bemerken, jeder ihr Kommen registrieren muss. Sie trägt ein dunkles Kleid, eng wie ein Futteral und so schlicht, dass es schon wieder raffiniert ist. Im Licht der Deckenlüster sieht Leonie: Die Haut ihres Gesichts ist blass und schlaff, trotz der »Behandlung« in der Kutsche, und ihre Lider sind geschwollen. Man merkt ihr an, dass sie hart gearbeitet hat. Und – eigentlich sieht sie auch nicht aus wie eine Frau von dreißig. Sie wirkt älter, reifer. Jedenfalls wenn man sie mit ihrem Porträt vergleicht: Dessen Entstehung muss wohl schon zehn Jahre her sein oder der Maler hat ihr geschmeichelt.
    Während sie noch so ihre Beobachtungen macht, geht im Lokal der Tumult los. Wenn in Berlin eine Theatergröße einen Ort wie diesen betritt, gibt es Geraune und verrenkte Hälse, und manchmal kommt jemand an den Tisch wegen eines Autogramms, aber alle verhalten sich diskret und respektieren, dass derjenige, der da erscheint, jetzt privat sein will.
    Anders hier. Irgendjemand hat gesagt: »He, die Lascari! Unsere Diva!«
    Und schon erhebt man sich von den Stühlen, um lautstark zu applaudieren und »Bravo!« oder »Vivat!« zu

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