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Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2

Titel: Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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schreien. Einige drängen sich auch an den Tischen vorbei, kommen auf Felice zu, fassen von jeder Seite ihre Hände und küssen sie, und sie steht da mit ausgebreiteten Armen; wieso kommt es Leonie nur so vor, als wenn sie sich mit Blicken vergewissert, dass sie, ihre kleine zukünftige »Schülerin«, das auch wirklich wahrnimmt?
    »Keine Autogramme!«, sagt sie mit tönender Stimme. »Meine Verehrer wissen doch eigentlich, dass ich nach Vorstellungen Autogramme prinzipiell nur in der Garderobe gebe! Meine Herrschaften, ich bitte Sie! Ihre Begeisterung ehrt mich. Aber begreifen Sie, dass eine Frau wie ich auch einmal Ruhe braucht, nachdem die hehre Kunst sie vereinnahmt hatte?«
    Was für ein Geschwafel!, denkt Leonie. So einen Unfug mit »hehrer Kunst« würde sich in Berlin kein einziger Schauspieler erlauben, außer er macht Witze.
    »Also, bittschön, ein bisschen Ruhe, ja? Außerdem hab ich einen Gast.«
    Felice lächelt in die Runde.
    Unter anhaltendem Beifall der Verehrer geleitet der Kellner sie beide nach hinten ins sogenannte Separée, ein durch hohe Paravents abgeschirmtes Eckchen mit samtbezogener Bank vor einem runden Tisch, von dem er das »Reserviert«-Schild entfernt. Er murmelt: »Das Übliche für zwei, gnä’ Frau?«, und verschwindet mit einer Verbeugung.
    Nun sitzen sie einander gegenüber.
    »Lästig, das alles!«, sagt Felice blasiert.
    »In Berlin würde man einem Schauspieler nach der Vorstellung nie derart zu nahe treten«, bemerkt Leonie. »Da würde man respektieren, dass er Ruhe braucht.«
    Sie erntet einen befremdeten Blick von Felice. Offenbar hat die gedacht, es imponiert ihr, was sie da gesehen hat.
    »Das ist noch gar nichts!«, sagt die Schauspielerin und legt den Kopf in den Nacken. »Es hat Vorstellungen gegeben, nach denen hat man mir die Pferde ausgespannt und ich bin von der begeisterten Menge in der Kutsche nach Haus gezogen worden. Und die Blumensträuße, die ich stets bekomme!« (Von denen hat Leonie heute nichts bemerkt.) »Nun gut, da muss man eben seine persönlichen Bedürfnisse zurückstecken. Die Menge braucht Idole. Im nüchternen Berlin mag das ja anders sein.«
    Sie zieht eine Zigarette aus einer zerdrückten Packung, die sie ihrer Handtasche entnommen hat, und dreht das Rädchen eines silbernen Feuerzeugs. (Sie ist die Einzige vom Theatervolk, die Leonie bisher rauchen gesehen hat.) Sie zögert einen Moment, dann bietet sie der anderen die Schachtel an.
    »Danke, ich rauche nicht«, sagt Leonie.
    Felice nickt, als habe sie nichts anderes erwartet. Sie inhaliert tief und bläst den Rauch durch die Nase aus. Und was jetztkommt, ist unweigerlich, nämlich die berühmte Frage: »Wie fandest du mich auf der Bühne?«
    »Eine sehr interessante Auffassung«, sagt Leonie eifrig. »Sozusagen eine Kuhmagd mit Seele aus der Eve zu machen. Besonders gut hat mir gefallen, wenn die Figur plötzlich so verletzlich wirkt. Und das Komische, die großen Schritte und das Staksige! Wenn es so intensiv geschieht, wie Sie es gezeigt haben, dann wird es auch ganz unwichtig, dass es ja eigentlich eine jüngere Rolle ist.«
    Felice sieht sie intensiv an, als würde sie gleich ins Schielen geraten, und pafft heftig an ihrer Zigarette. (Wahrscheinlich hat sie erwartet, dass ich in eine Lobeshymne ausbreche. Hab ich was falsch gemacht, dass ich von einer »jüngeren Rolle« geredet habe? Dumme Situation.)
    »Professionelle Kritik aus der deutschen Hauptstadt, wie?«, sagt Felice hämisch. Leonie schweigt. Irgendwie läuft die Begegnung nicht gut.
    Jetzt sagt die andere, und es klingt von oben herab: »Du bist also Leonie Lasker aus Berlin und willst bei mir Unterricht nehmen. Und du bist – die Wege des Herrn sind verschlungen – zudem meine Cousine.«
    »Nein«, widerspricht Leonie, ohne zu überlegen. »Ich bin die Urenkelin Ihres Berliner Onkels. Also sind Sie meine Tante. Eigent lich meine Großtante.«
    Sie erntet ein unwilliges Stirnrunzeln. »Also diese ganzen Großenkel, mütter, tanten, die wollen wir mal ganz schnell vergessen. Du bist meine Cousine, ist das klar? Und außerdem duze mich bitte, so wie ich dich.«
    (Tante will die Dame also nicht genannt werden!, registriert Leonie.)
    Das Gespräch wird unterbrochen, denn der Kellner taucht auf und bringt eine Teekanne nebst zwei Tassen und Zuckerschale, dazu im silbernen Körbchen geröstete Brotscheiben und etwas unter einer silbernen Servierhaube, das, als der Deckel gelüftet wird, wie graues Rührei aussieht. Dazu zwei

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