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Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1

Titel: Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Isabelle mit hoch.
    »Lass uns schlafen gehen, Liebe. Dies sind aufregende Tage. Entscheidende Tage. Du brauchst all deine Kraft. Schone dich.«
    »Ich und mich schonen? Keine Sorge. Meine Kraft reicht, bis alles getan ist.«
    »Eins nach dem andern. Wie heißt doch der spanische Spruch deiner Familie: Con el pie derecho y al nombre del Dio. Mit dem rechten Fuß voran und in Gottes Namen.«
    Gaston löscht die Lampe. Nur noch schwaches Mondlicht von draußen. Arm in Arm verlassen sie den Raum.
     
    Das ist mir in meinem ganzen Leben noch nicht passiert: dass ich schlaflos bin. Sonst brauche ich nur den Kopf aufs Kissen zu legen und weg bin ich. Schlafl os waren nur Leute in Büchern oderTheaterstücken, wenn sie ein schlechtes Gewissen hatten. Aber ich? Wälze mich herum in diesem breiten weichen bequemen Bett und zergrübele mir den Kopf.
    Drei Zeichen suchen, die durch halb Europa verstreut sind! Für eine alte Frau, die, mit Verlaub gesprochen, nicht nur »ein bisschen meschugge« ist. Wer Visionen hat, kann nicht richtig im Kopf sein. Früher, ja, früher war das anders. Die Jungfrau von Orléans in Schillers Stück, die junge Frau, die Frankreich von den eingedrungenen Engländern befreien wollte, die hatte Visionen. Erscheinungen. Aber heute? Heute ist doch alles ganz anders. Heute ist man einfach nur vernünftig. Oder doch nicht?
    Ja, warum eigentlich heute keine Visionen mehr? Weil wir Menschen mit Autos und Eisenbahnen fahren und telefonieren können und elektrisches Licht anschalten?
    Jetzt ist es vollends um meinen Schlaf geschehen. Ich setze mich hoch im Bett und fange an, mir mit beiden Händen Löckchen ins Haar zu drehen. Das habe ich als Kind immer gemacht, wenn mir in der Schule die richtige Antwort nicht einfallen wollte. Und hier fällt sie mir auch nicht ein.
    Wenn ich recht verstanden habe, soll ich herumreisen und nach drei hebräischen Buchstaben suchen. Wie ein Detektiv! Aufregend. Aufregende Sache. Da ist es ja dann auch egal, wer der »Auftraggeber« ist oder wie es in dessen Kopf aussieht.
    Aber ich will nicht Detektiv werden. Es gibt ein Ziel, das ich mit Leib und Seele anstrebe, und das und nur das will ich erreichen. Punktum. Und wenn ich das erreicht habe, dann steht mir die Welt ebenso offen.
    Und wenn beides geht – beides zusammen?
    Am liebsten würde ich jetzt aufspringen, mich wieder anziehen und irgendwohin laufen.
    Stattdessen ziehe ich mir trotz der Wärme im Raum die Decke bis über die Ohren.
    Jüdisch. Ich soll jüdisch sein, jedenfalls nach Auffassung dieser Leute. Wenn ich das meinem Vater erzähle ...
    Mein Vater.Ja.
    Und auf einmal weiß ich, dass es nicht geht. Nie und nimmer. Ja, ich bin noch einmal zurückgekommen. Aber nur, um mich mit Anstand zu verabschieden. Mein Vater – das ist doch eine ganz andere Welt als diese hier, mit dieser Mystik, dieser Rechnerei, all den verrückten Geschichten und den Visionen der alten Frau. Mein Vater steht mit beiden Beinen auf der Erde und mit Juden will und kann er nun überhaupt nichts zu schaffen haben. Ich gehöre zu ihm. Das hier ist alles ... fremd.
    Isabelle tut mir leid, aber ich kann das nicht machen.
    Und jetzt will ich endlich einschlafen. Morgen ist auch noch ein Tag.
     
    Sie badet lange am nächsten Morgen, noch länger als sonst, obwohl sie ja fast den halben Vormittag verschlafen hat. Kein Wunder nach so einer langen Nacht. Und außerdem: Die Vorstellung, dass Isabelle und Gaston vielleicht wieder am Frühstückstisch auf sie lauern, ist ihr nicht behaglich.
    Dann aber geht sie doch endlich in den Speiseraum – ihr Magen knurrt einfach unverschämt –, und zum Glück ist da niemand. Nur das köstliche Frühstück wartet still und friedlich auf sie und heißhungrig stürzt sie sich auf Brot und Honig, Ei und Käse.
    Und nun? Einen Spaziergang?
    Bestimmt ist das feige, aber sie würde jetzt gern den beiden alten Leuten noch ein bisschen aus dem Weg gehen.
    Als sie, ihren Hut in der Hand, gerade den Vorhof von Hermeneau verlassen will, kommt ihr die Frau aus der Küche entgegen- geradelt, wie hieß sie doch gleich? Richtig, Clémence.
    Ihr Rad ist schwer beladen. Am Lenker hängen zu beiden Seiten prall gefüllte Stoffbeutel, und vom Gepäckträger quillt rechts und links aus dem Korb Grünzeug. Salat und Spinat in Büscheln, zart gefi ederte junge Karotten, Radieschen mit weißen Schwänzen, Tomaten, ein Netz mit Schoten, keine größer als ein kleiner Finger. Es sieht aus, als ob sie einen ganzen Gemüsegarten

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