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Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1

Titel: Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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auf seiner Stirn die drei Zeichen stehen. Sie bilden zusammen das hebräische Wort für ›Wahrheit‹.«
    Seine Stimme klingt feierlich. »Und diese drei Buchstaben«, fährt er fort, »sind in alle Welt verstreut. Denn Isabelles Brüder, ihre Bewahrer, haben sie mitgenommen, jeder für sich. Für die jungen Männer waren sie einfach nur ein Stück ihres Erbteils. Sie hatten ja nicht das kabbalistische Wissen, über das Isabelle inzwischen verfügte. Der Mythos vom Golem und den drei Zeichen war für sie damals nichts weiter als ein Märchen, und niemand nahm im Ernst an, dass irgendwer in der heutigen Zeit auf den Gedanken kommen könnte, alte Beschwörungen hervorzukramen.«
    Leonie sieht Gaston verwirrt an. »Wie meinst du das: Sie haben die Buchstaben mitgenommen?«
    Gaston erklärt: »Die Buchstaben stehen nicht in irgendeiner Schrift, wie du wohl denkst. Es sind die Dinge . Wertvolle Kleinodien. Drei Buchstaben aus purem Gold. Jeder vielleicht halb so groß wie ein Handteller. So hat Isabelle es mir gesagt.«
    Leonie runzelt die Stirn. »Wenn sie nicht wussten, dass es so ein magisches Zeug ist – vielleicht haben sie es ja versetzt? Vielleicht sind sie in Not geraten? Wenn es pures Gold war ... ?«
    »Nein«, erwidert Gaston entschieden. »Sie wussten vielleichtnichts damit anzufangen, haben es wahrscheinlich – zweckentfremdet. Aber fortgegeben haben sie es sicher nicht. So viel Traditionsbewusstsein wird ihnen geblieben sein. Das glaube ich gemeinsam mit Isabelle ... Jedenfalls, die drei Zeichen sind weit verstreut. Isabelles Beunruhigung wuchs nach jenem Krieg mehr und mehr, als sie von ihren Brüdern keinerlei Lebenszeichen mehr erhielt. War ihr Zerwürfnis so tief, dass sie nicht einmal mit ihr, der Schwester, die alle drei gleich liebhatte, noch Kontakt aufnehmen wollten – weil sie vielleicht fürchteten, Isabelle könnte versuchen, sie wieder miteinander zu versöhnen? Keine Fehde kann tiefer sein als eine Familienfehde. Oder waren sie umgekommen?«
    Er schweigt für einen Moment. Redet dann weiter.
    »Isabelle, meine junge Frau, war oft in sich gekehrt und traurig, aber desto eifriger widmete sie sich nun ihren Studien der Kabbala, der Wissenschaft von den Buchstaben und Zahlen und ihrer Auslegung. Ich sah, dass sie Kraft schöpfte aus ihrem Wissen, und das war gut ... Wir hätten so glücklich sein können damals! Ich hatte mit viel Geschick ein ziemliches Vermögen erworben im Krieg ... « Er stockt und scheint plötzlich unruhig oder irritiert zu sein. Nervös bewegt er die Finger, schlägt die Beine übereinander, und seine Stimme, so glaubt Leonie, klingt irgendwie anders. Oder bildet sie sich das nur ein?
    »Jedenfalls, ich konnte Hermeneau hier erstehen, das Schloss, und ich tat alles, um meiner Frau so viel Ruhe und Frieden zu geben, wie nur möglich schien. Und irgendwann waren wir auch glücklich. Aber dann geschah in Frankreich etwas sehr Schlimmes. Ich will es kurz machen, dich nicht mit Einzelheiten plagen, Leonie.«
    Sie nickt. Hört ihm zu.
    »Die Geschichte spaltete die Nation. Es ging um einen jüdischen Offi zier der Armee, der wegen Spionage angeklagt und des Hochverrats bezichtigt und verurteilt wurde, obwohl es allen klar war, dass die Beweise gefälscht und die Zeugen bestochen waren ... Viele gute Franzosen erklärten sich für den Mann, aber er war eben Jude, und es schwappte eine Welle von Judenhass über das Land hin, wie man es in unseren toleranten Zeiten nicht mehr für möglichgehalten hatte. Auf einmal war klar: Die Juden hielten sich zu dieser Zeit zwar für gleichberechtigte Mitglieder der Gesellschaft, aber das war eine Illusion. Sie waren gehasste Außenseiter geblieben wie eh und je. Die Situation eskalierte. In der Provinz gab es Ausschreitungen, mehrere Menschen kamen brutal zu Tode.« Gaston seufzt. »Das alles ereignete sich im Jahre 1896. Wir waren über fünfundzwanzig Jahre verheiratet, ein Paar, das sich liebte wie am ersten Tag. Aber von nun an sollte alles anders werden. Damals begann es. Isabelle bekam Angstträume. Finstere, furchtbare Angstträume.«
    Er zieht sein Taschentuch aus der Brusttasche, er betupft sich die Lippen. Leonie sieht, dass seine Hände zittern. Offenbar nimmt ihn die Erinnerung sehr mit.
    »Nacht für Nacht fuhr sie schreiend hoch und erzählte mir Schlimmes – ich will dich damit verschonen, Kind. Aber immer ging es um Tod und Vernichtung. Tod und Vernichtung unvorstellbarer Art.
    Dann begannen sie diese Angstvisionen auch am

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