Dreibettzimmer: Roman (German Edition)
findet das nicht lustig. Sie spuckt ihm die Wörter nur so ins Gesicht: »Und warum bitte sollte ich mich darauf einlassen?«
»Weil Sie dafür Ihre Halbtagsstelle bekommen.«
Unsere Frauenbeauftragte stützt die Stirn in die Hände und lacht zynisch. Es klingt, als stünde sie an der Grenze zur Hysterie. Oder schon einen Schritt weiter.
»Ich habe Ihnen mit dem Betriebsrat gedroht«, presst sie heraus. »Das hat Sie nicht interessiert. Ich wollte kündigen – war Ihnen wurscht. Und jetzt kriege ich die Halbtagsstelle, wenn ich mit dem Idioten da zwei Wochen wegfahre? Wenn das wieder so ein Männerwitz ist, finde ich ihn echt nicht lustig.«
Herr Schade wirft einen Blick auf die fliederfarbene Einladung und sieht dann wieder hoch.
»Bis zu Ihrer Hochzeit sind Sie längst wieder da. Und Ihre Tochter nehmen Sie einfach mit. Sie beschweren sich ja dauernd über mangelnde Betreuungsmöglichkeiten.«
Anne überlegt, dann entspannen sich ihre Züge. Sie nickt.
»Ich bekomme meine Stelle – vor Zeugen«, postuliert sie und blickt die Kollegen an, die sich Mühe geben, so neutral dreinzuschauen wie die Mitglieder einer Grand Jury. Anne streckt die Hand aus. Schade ergreift sie quer über den Tisch.
»Und Sie, Caspar«, sagt er, »geben sich ein bisschen Mühe und lassen sich auf diese neue Welt ein. Ein bisschen Erholung wird Ihnen guttun. Sie waren die letzten Monate Tag und Nacht im Einsatz. Sehen Sie das hier einfach mal als Entspannungsurlaub.«
Wie bitte? Okay, ich habe tiefere Augenringe als ein Dortmunder Grubenarbeiter und wahrscheinlich ein gleichwertiges Alkoholproblem, aber wenn sich Schade ernsthaft um das Wohl seiner Mitarbeiter sorgen würde, wäre er nie Chef geworden. Was führt er im Schilde?
Es klopft an der Tür. Assistentin Nora Schnittchenmacher, deren Einstellungskriterien nicht bloß auf der Hand, sondern mitunter sogar auf der Tastatur liegen, steckt ihr Dekolleté herein. »Herr Dr. Schade, Sie haben einen Termin in fünf Minuten«, sagt das Dekolleté.
Schade sucht seine Zettel zusammen und erhebt sich. Die Konferenz ist beendet. Anne und ich sehen uns an wie Duellanten, die gerade erfahren haben, dass sie durch einen schlechten Scherz des Schicksals zwei Wochen in einem Zimmer wohnen müssen, bevor sie sich erschießen dürfen.
Die anderen Redakteure rücken mit den Stühlen herum und verlassen so schnell wie möglich den Raum. Als Letzte erhebt sich Anne und trottet wie in Trance der Herde hinterher.
Als ich aufstehen will, geht Schade zur Tür und schließt sie vorsichtig. Dann legt er mir die Hand auf die Schulter. »Einen Moment noch. Sie haben von meinem letzten Ausflug nach Tirol gehört?«
Oha! Dünnes Eis. Die Gesichtszüge meines Chefs verhärten sich, seine Augen werden schmal.
»Ich will Rache.«
Sicherheitshalber schaue auch ich böse und nicke.
»Dieses verschissene Hotel hat mir ein Wochenende verdorben, auf das ich mich seit Beginn des Sommerlochs gefreut habe.« Schade scheint die Doppeldeutigkeit gar nicht weiter aufzufallen. »In meinem Leben gibt es nicht mehr viele Höhepunkte. Das wäre einer gewesen.«
Fast tut mir mein Chef ein ganz kleines bisschen leid. Betreten schaue ich nach unten. Das Bild seines Höhepunkts geht einfach nicht aus meinem Kopf.
»Ich will, dass Sie einen Verriss über das ›Wilde Mannle‹ schreiben. Machen Sie den Laden fertig.«
»Aber Sie haben doch eben gesagt, ich soll ein Familienmensch werden.«
»Das hier ist eine geheime Mission, Hartmann.«
»Ich bin nicht Günter Wallraff«, gebe ich zu bedenken.
Herr Schade deutet mit dem Finger auf mich. »Nein, Sie sind James Bond. Der James Bond des Journalismus. Und ich bin Ihr M.«
Schweres Fieber, eindeutig. Er phantasiert in veralteten Metaphern. »M ist mittlerweile eine Frau.«
Kurz stutzt mein Chef, dann schüttelt er fatalistisch den Kopf. »Sehen Sie, das ist das Problem. Wir Männer werden weibisch – durch diese ganze Familienkacke. Schreiben Sie ein Loblied auf schlüpfrigere Zeiten, eine Enthüllungsgeschichte, die ihren Namen verdient, ein Plädoyer für das Liebesnest, die Freiheit und den Hedonismus.« Er sieht mir tief in die Augen. »Das Problem des modernen Mannes ist die Familie. Schauen Sie sich unsere Redaktion an: lauter weichgespülte Daddyluschen. Und keiner traut sich, das auszusprechen.«
Kein Wunder. Wer sich gegen das Prinzip Familie stellt, wird sozial geteert, gefedert und zur freien Liebe in eine Vogelgrippezuchtfarm gesperrt.
»Aber ich
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