Dreibettzimmer: Roman (German Edition)
erinnern sich?«
Ich verziehe den Mund zu einer Art gut gemeintem Lächeln. Wie könnte ich das Familienhotel vergessen?
»Das Heft soll kein Plagiat von Erfolgstiteln wie ›Nido‹ oder ›Eltern‹ werden, sondern ein Magazin von Familien für Familien.« Weil weder die Chefredakteurin noch ich eine eigene Familie haben und ich zudem noch ein Mann bin, hat meine Vorgesetzte beschlossen, mir eine Kollegin zur Seite zu stellen: eine alleinerziehende Mutter.
»Warum kann sie das Heft nicht selbst machen?«, will ich wissen. Mein Leben läuft gerade mal wieder in einigermaßen geordneten Bahnen, da kann ich keine Frau an meiner Seite gebrauchen – schon gar keine mit Kind. Die würde mich jeden Tag an den vergangenen Sommer erinnern.
»Sie ist nicht nur alleinerziehend, sondern auch schwanger«, erklärt meine Chefin. »Deshalb kann sie nur halbtags arbeiten. In weniger als einem halben Jahr geht sie eh in die Babypause, und dann sind Sie erst mal verantwortlich. Jetzt schauen Sie nicht so traurig! Sie haben selbst gesagt, Sie wollen Karriere machen. Chefredakteur eines Familientitels ist nicht der schlechteste Punkt auf dem Lebenslauf.«
Na ja, warum soll ich mich nicht auch mal den Launen einer Schwangeren stellen? Ist vielleicht meine nächste Herausforderung. Immerhin bin ich schon mit einer so gut wie verheirateten Mutter fertig geworden. Oder auch nicht.
»Einverstanden«, sage ich. Meine Chefin erklärt mir die gewünschten Eckdaten des Hefts, bis ihr Assistent anruft: Die neue Kollegin ist da.
»Soll gleich hereinkommen«, bestimmt sie.
Ich richte mich auf, wende mich zur Tür und setze das beste Lächeln auf, das ich hinkriege. Die Tür öffnet sich langsam, und das Lächeln rutscht mir einfach aus dem Gesicht. Mein Mund klappt auf, wahrscheinlich um kühlende Luft für mein Herz hereinzulassen, das plötzlich heiß zu laufen droht.
Vor mir steht Anne. Und sie hat Leonie dabei. Als mich die Kleine sieht, lässt sie sofort die Hand ihrer Mutter los und rennt mir in die Arme. Ich hebe sie hoch und wirbele sie in der Luft herum. Sie kiekst vor Freude – und ehrlich gesagt, ich auch. Meine Güte, ist die groß geworden!
»Bist du wieder mein Papa?«, fragt Leonie.
Ich sehe Anne an. Die ist auch groß geworden, zumindest ihr Bauch – sechster Monat, schätze ich. Offenbar hat sie sich wieder mit Mr. Perfect vertragen. Sex hilft ja über Herzschmerz hinweg, das haben wir in der vergangenen Ausgabe geschrieben. Da habe ich es nicht geglaubt.
Anne strahlt so wunderschön, wie es nur Schwangere vermögen – das wiederum habe ich von den Kolleginnen gehört. Ich sehe genauer hin: Nein, sie hat sich tatsächlich ein wenig geschminkt. Mit all meinem neu gewonnenen Wissen auf diesem Gebiet kann ich nur sagen: absolut stilsicher.
Meine Chefin sieht uns mit jenem mütterlichen Blick an, den ich im Hotel zum ersten Mal und seitdem bei vielen meiner Nachfragen zu Frauenthemen gesehen habe.
»Ich glaube, Sie beide haben sich einiges zu erzählen.«
In meinem Büro malt Leonie auf der Schreibtischunterlage und dem Tisch darunter herum. Von mir aus kann sie auch noch den Boden und die Wände bemalen – Hauptsache, sie ist wieder da.
Annes Blick fällt auf die kleine Plastikfigur auf meinem Computer. »Welcher Platz?«, fragt sie.
»Nur für die Teilnahme«, antworte ich verlegen und zwinge mich zu einem Lächeln. »Die anderen waren einfach besser.«
Nach einem kurzen Räuspern gratuliere ich ihr wehmütig zum zweiten Mal zu einem Kind von einem anderen Mann.
Anne sieht mich an und schüttelt den Kopf. »Nein«, sagt sie.
Ich stehe auf dem Schlauch. Bis mir einfällt, dass Mr. Perfect und sie seit Leonies Geburt keinen Sex mehr hatten – im Gegensatz zu Anne und mir. Eine Erkenntnis bahnt sich irgendwo in meinem Kopf den Weg durch die Gehirnwindungen, rutscht an meinem Rücken runter und wirbelt mich von meiner Mitte aus durcheinander. Hat die Chefin nicht auch von einer »alleinerziehenden« Mutter gesprochen?
»Aber das kann doch nicht sein«, stammele ich und gehe vorsichtig auf Anne zu. »Ich bin unfruchtbar.«
Auch Anne kommt näher. »Dann habe ich noch eine gute Nachricht für dich: Deine Spermien funktionieren offenbar besser als dein Verstand. Den Vaterschaftstest hat diesmal Leonhardt gemacht.«
Leonie springt vom Schreibtischstuhl und nimmt meine Hand. Es fühlt sich richtig an.
»Caspar, bitte fühlen, okay?«, fordert sie. Anne nickt und legt meine Hand auf ihren Bauch. Sekunden
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