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Dreifach

Titel: Dreifach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Transporten«, sagte Cortone kurz angebunden. »Und du? Was, um Himmels willen, willst du denn an der Universität Oxford? Was studierst du?«
    »Hebräische Literatur.«
    »Du machst Witze.«
    »Ich konnte schon hebräisch schreiben, bevor ich zur Schule ging. Habe ich das nie erwähnt? Mein Großvater war der reinste Gelehrte. Er wohnte in einem muffigen Zimmer über einem Pastetenladen in der Mile End Road. Ich besuchte ihn jeden Samstag und Sonntag, seit ich mich erinnern kann. Aber zur Klage hatte ich keinen Anlaß – es machte mir Spaß. Außerdem, was sollte ich denn sonst studieren?«
    Cortone zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung, vielleicht Atomphysik oder Betriebswirtschaft. Warum willst du überhaupt studieren?«
    »Um glücklich, klug und reich zu werden.«
    Cortone schüttelte den Kopf. »Verrückt wie immer. Gibt’s hier viele Mädchen?«
    »Sehr wenige. Außerdem habe ich zu tun.« Dickstein schien zu erröten.
    »Lügner. Du bist verliebt, du Dummkopf. Mir machst du nichts vor. Wer ist es?«
    »Nun, um ehrlich zu sein ...« Dickstein war verlegen.»Sie ist unerreichbar. Die Frau eines Professors. Exotisch, intelligent, die schönste Frau, die ich je gesehen habe.«
    Cortone verzog zweifelnd das Gesicht. »Das klingt nicht aussichtsreich, Nat.«
    »Ich weiß, aber trotzdem ...« Dickstein stand auf. »Du wirst sehen, was ich meine.«
    »Ich werde sie kennenlernen?«
    »Professor Ashford gibt eine Sherryparty. Ich bin eingeladen. Als du ankamst, wollte ich gerade los.« Dickstein zog seine Jacke an.
    »Eine Sherryparty in Oxford«, sagte Cortone. »Mann, wenn das die in Buffalo hören!«

    Es war ein kalter, heller Morgen. Bleicher Sonnenschein ergoß sich über den cremefarbenen Stein der alten Gebäude. Sie schritten in behaglichem Schweigen durch die Stadt, die Hände in den Taschen, die Schultern hochgezogen gegen den beißenden Novemberwind, der durch die Straßen pfiff. Cortone murmelte immer wieder: »Träumende Türme. Mist.«
    Nur wenige Menschen waren unterwegs, aber nachdem sie ungefähr eine Meile zurückgelegt hatten, deutete Dickstein über die Straße hinweg auf einen hochgewachsenen Mann, der sich einen College-Schal um den Hals gelegt hatte. »Da ist der Russe.« Er rief: »He, Rostow!« Der Russe blickte auf, winkte und kam auf ihre Straßenseite. Er hatte einen Armeehaarschnitt und war zu groß und zu schlank für seinen Anzug von der Stange. Cortone begann zu glauben, daß jeder in diesem Land zu schlank war.
    Dickstein stellte vor: »Rostow studiert in Balliol, demselben College wie ich. David Rostow, Alan Cortone. Al und ich waren eine Zeitlang zusammen in Italien. Gehen Sie auch zu Ashford, Rostow?«
    Der Russe nickte würdevoll. »Für einen Drink bin ich zu allem bereit.«
    »Interessieren Sie sich auch für hebräische Literatur?« fragte Cortone.
    »Nein, ich bin hier, um die bourgeoise Wirtschaftslehre zu studieren.«
    Dickstein lachte laut. Er erläuterte, da Cortone die Pointe nicht verstand: »Rostow stammt aus Smolensk. Er ist Mitglied der KPdSU .«
    Cortone begriff die Pointe immer noch nicht. »Ich dachte, daß niemand Rußland verlassen darf«, sagte er. Rostow gab eine lange und komplizierte Erklärung ab, die darauf hinauslief, daß sein Vater bei Kriegsausbruch als Diplomat in Japan gewesen sei. Er hatte einen ernsten Gesichtsausdruck, der gelegentlich von einem listigen Lächeln verdrängt wurde. Obwohl sein Englisch mangelhaft war, brachte er es fertig, auf Cortone herablassend zu wirken. Cortone schob den Gedanken an Rostow beiseite und begann, darüber nachzudenken, wie man einen Mann lieben konnte, als wäre er der eigene Bruder, nachdem man Seite an Seite mit ihm gekämpft hatte. Dann aber verschwand dieser Mann plötzlich, um hebräische Literatur zu studieren, und man begriff, daß man ihn eigentlich nie richtig gekannt hatte. Schließlich wandte Rostow sich an Dickstein. »Haben Sie sich schon entschieden, ob Sie nach Palästina wollen?«
    »Palästina? Wozu?« erkundigte sich Cortone. Dickstein schien besorgt. »Ich habe mich noch nicht entschieden.«
    »Sie sollten hinfahren«, sagte Rostow. »Eine nationale Heimstätte der Juden wird dazu beitragen, die letzten Reste des Britischen Imperiums im Nahen Osten zu zerstören.«
    »Ist das die Parteilinie?« fragte Dickstein mit einem schwachen Lächeln.
    »Ja«, antwortete Rostow unbeeindruckt. »Sie sind Sozialist ...«
    »In Grenzen.«
    »... und der neue jüdische Staat muß unbedingt sozialistisch

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