Dreifach
ruinierte sie.
Als der Staat Israel ausgerufen wurde und die arabischen Armeen angriffen, machte die Familie Hassan den verhängnisvollen Fehler, ihre Sachen zu packen und nach Syrien zu fliehen. Sie sollte nie zurückkehren. Das Warenhaus in Jerusalem brannte nieder; die Läden wurden zerstört oder von Juden übernommen, und die israelische Regierung begann, das Land seiner Familie zu »verwalten«. Hassan hatte gehört, daß das Dorf zu einem Kibbuz gemacht worden war.
Hassans Vater hatte seitdem in einem Flüchtlingslager der Vereinten Nationen gelebt. Seine letzte positive Tat hatte darin bestanden, einen Empfehlungsbrief für Yasif an seine libanesischen Bankiers zu schreiben. Yasif hatte sein Studium abgeschlossen und sprach ausgezeichnet englisch. Die Bank gab ihm die Stelle.
Er stellte nach dem Landerwerbsgesetz von 1953 einenEntschädigungsantrag an die israelische Regierung, der jedoch abgewiesen wurde.
Nur einmal besuchte er seine Familie im Lager, doch was er dort sah, würde er für den Rest seines Lebens nicht vergessen. Seine Angehörigen wohnten in einer Holzhütte und teilten mit vielen die Gemeinschaftstoiletten. Sie erhielten keine Vorzugsbehandlung, sondern waren nur eine unter Tausenden von Familien ohne Heim, ohne Ziel oder Hoffnung. Yasif wünschte sich, Bomben auf Schulbusse werfen zu können, als er mit ansah, wie sein Vater, ein kluger, entschlossener Mann, der einst ein großes Geschäft mit fester Hand regiert hatte, nun gezwungen war, um sein Essen Schlange zu stehen und seine Zeit mit Backgammon zu verbringen.
Die Frauen holten Wasser und machten sauber, als hätte sich wenig verändert, aber die Männer drückten sich in Kleidung aus zweiter Hand herum und warteten auf nichts. Ihre Körper wurden schlaff, ihr Geist wurde stumpf. Teenager stolzierten durch das Lager, zankten sich und gingen mit Messern aufeinander los, vielleicht weil sie keine andere Zukunftschance für sich sahen als das stumpfe Dahinbrüten in einer mörderischen Hitze. Das Lager roch nach Abwässern und Verzweiflung. Hassan besuchte es nie wieder, obwohl er weiterhin an seine Mutter schrieb. Er war der Falle entkommen, und wenn er seinen Vater im Stich ließ – nun, sein Vater hatte ihm dabei geholfen und mochte es wohl nicht anders gewollt haben.
Als Bankangestellter hatte er bescheidenen Erfolg. Er war intelligent und zuverlässig, aber seine Erziehung machte ihn untauglich für exakte Arbeit, die verlangte, daß man sorgfältig mit Rechnungen umging und Aktennotizen mit zwei Durchschlägen anfertigte. Außerdem war sein Herz woanders.
Hassan hatte immer bitteren Groll über den Verlust der Heimat empfunden. Er schleppte seinen Haß durch dasLeben wie eine geheime Bürde. Sein logisches Denken mochte versuchen, ihn zu beschwichtigen, aber seine Gefühle sagten ihm, daß er seinen Vater in Zeiten der Not im Stich gelassen hatte, und sein Schuldbewußtsein nährte seinen Haß auf Israel. Jedes Jahr erwartete er, daß die arabischen Armeen die zionistischen Eindringlinge vernichten würden, und mit jedem Scheitern wurde er deprimierter und zorniger.
Im Jahre 1957 begann er, für den ägyptischen Geheimdienst zu arbeiten.
Er war kein sehr wichtiger Agent, aber während die Bank ihr Europageschäft ausweitete, schnappte er gelegentlich – sowohl im Büro als auch durch den allgemeinen Bankenklatsch – interessante Informationen auf. Manchmal forderte Kairo spezifische Angaben über die Finanzen eines Waffenproduzenten, eines jüdischen Philantropen oder eines arabischen Millionärs. Wenn Hassan die Details nicht in seinen Bankdaten hatte, konnte er sie oft von Freunden und Geschäftspartnern erfahren. Er hatte auch den allgemeinen Auftrag, israelische Geschäftsleute in Europa für den Fall, daß sie Agenten waren, im Auge zu behalten. Deshalb hatte er sich Nat Dickstein genähert und ein freundschaftliches Verhalten vorgetäuscht.
Hassan hielt es für wahrscheinlich, daß Dicksteins Geschichte stimmte. Mit seinem schäbigen Anzug, den gleichen runden Brillengläsern und der gleichen unauffälligen Miene wie früher sah er tatsächlich aus wie ein unterbezahlter Vertreter, der ein Produkt nicht absetzen kann. Aber da war die merkwürdige Sache in der Rue Dicks am Abend zuvor gewesen: Zwei junge Männer, der Polizei als kleine Diebe bekannt, waren brutal zugerichtet in der Gosse aufgefunden worden. Hassan hatte alle Einzelheiten von einem Kontaktmann bei der Stadtpolizei erfahren. Offensichtlich hatten sie
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