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Dreifach

Titel: Dreifach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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wichtig geworden, seine Arbeit war dringlich, man verließ sich auf ihn. Er hatte eine Chance, etwas für die arabische Sache zu tun, eine Chance, endlich zurückzuschlagen.
    Hassan hob den Hörer wieder ans Ohr und begann, die Fluggesellschaften anzurufen.

4
    N AT DICKSTEIN BESCHLOSS, ein
     Atomkraftwerk in Frankreich zu besuchen, aus dem einfachen Grund, weil Französisch die einzige europäische Sprache war, die er annehmbar beherrschte – abgesehen von Englisch natürlich, aber Großbritannien gehörte nicht zur Euratom. Er fuhr mit einer gemischten Gruppe aus Studenten und Touristen zum Kraftwerk. Die Landschaft, die an den Fenstern vorbeihuschte, erinnerte mit ihrem staubigen südlichen Grün eher an Galiläa als an Essex, das für Dickstein in seiner Jugend »das Land« gewesen war. Er war seitdem in der Welt herumgekommen, hatte Flugzeuge so lässig wie ein Jet-setter bestiegen, aber er konnte sich noch an die Zeit entsinnen, da Park Lane im Westen und Southendon-Sea im Osten seine Horizonte gewesen waren. Und er erinnerte sich auch noch daran, wie plötzlich diese Horizonte sich geweitet hatten, als er begann, sich – nach seiner Bar-Mizwa-Feier und dem Tod seines Vaters – als Mann zu fühlen. Andere Jungen seines Alters dachten daran, im Hafen oder in den Fabriken zu arbeiten, Mädchen aus dem Ort zu heiraten, Häuser eine Viertelmeile von den Heimen ihrer Eltern entfernt zu finden und ein seßhaftes Leben zu führen. Ihre Träume erschöpften sich darin, einen Windhundchampion zu züchten, Westham als Sieger des Pokalfinales zu sehen oder sich ein Auto kaufen zu können.
    Der junge Nat dagegen malte sich aus, daß er nach Kalifornien, Rhodesien oder Hongkong gehen und Gehirnchirurg, Archäologe oder Millionär werden würde. Es lag zum Teil daran, daß er intelligenter war als die meisten Gleichaltrigen, denen Fremdsprachen unnahbar, geheimnisvoll, als Schulfach gleich der Mathematik und nicht als Instrument, sich auszudrücken, erschienen. Aber der Hauptunterschied war sein Judentum. Harry Chieseman,Dicksteins Schachpartner in seinen Kindertagen, war gescheit, dynamisch und schlagfertig, aber er sah sich als Londoner der Arbeiterklasse und glaubte nicht, daß sich daran etwas ändern könne. Dickstein dagegen wußte – obwohl er sich nicht erinnern konnte, es von jemandem gehört zu haben –, daß Juden, wo sie auch geboren sein mochten, fähig waren, sich zu den größten Universitäten emporzuarbeiten, neue Industrien wie das Filmgeschäft aufzubauen, die erfolgreichsten Bankiers, Rechtsanwälte und Fabrikanten zu werden; und wenn sie es nicht in dem Land schafften, in dem sie geboren worden waren, zogen sie in ein anderes und versuchten es dort. Es ist seltsam, dachte Dickstein, während er sich seine Jugend ins Gedächtnis zurückrief, daß ein seit Jahrhunderten drangsaliertes Volk so von seiner Fähigkeit überzeugt ist, alles zu erreichen, was es sich vorgenommen hat. Wenn es zum Beispiel Atombomben braucht, macht es sich ans Werk und beschafft sie sich.
    Diese Tradition war ein Trost, aber sie half ihm bei seinem eigenen Vorgehen wenig.
    Das Kraftwerk zeichnete sich in der Ferne ab. Als sich der Bus näherte, erkannte Dickstein, daß der Reaktor größer war, als er ihn sich vorgestellt hatte. Er nahm ein Gebäude von zehn Stockwerken Höhe ein. Irgendwie hatte Dickstein erwartet, er würde in einem kleinen Raum Platz finden.
    Die äußeren Sicherheitsvorkehrungen entsprachen eher industriellen als militärischen Verhältnissen. Das Gelände war von einem hohen, nicht elektrisch geladenen Zaun umgeben. Dickstein blickte in das Pförtnerhäuschen, während der Touristenführer die Formalitäten erledigte. Die Wärter hatten nur die Schirme von zwei internen Fernsehanlagen vor sich. Dickstein traute sich zu, am hellichten Tag fünfzig Männer auf das Grundstück zu schmuggeln, ohne daß den Wärtern etwas auffallen würde. Ein schlechtes Zeichen, entschied er verdrossen. Esbedeutete, daß sie andere Gründe hatten, sich sicher zu fühlen.
    Er verließ den Bus mit den anderen der Gruppe und ging über den asphaltierten Parkplatz auf das Empfangsgebäude zu. Das Gelände war so angelegt, daß man einen positiven Eindruck gewinnen sollte. Man sah gepflegte Rasen und Blumenbeete und viele neugepflanzte Bäume; alles war sauber und natürlich, weiß bemalt und rauchfrei. Dickstein wandte sich zum Pförtnerhäuschen um, an dem eben ein grauer Opel anhielt. Einer der beiden Insassen stieg aus und

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