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Dreihundert Brücken - Roman

Dreihundert Brücken - Roman

Titel: Dreihundert Brücken - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernardo Carvalho
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sagt kein Wort. Als einer eine Frage stellt, boxt ihn derjenige, der das Blatt Papier aus der Tasche gezogen hat, zur Antwort in die Brust. Dazu lacht er im gelblichen Licht. Sie trinken ihr Bier aus und verlassen die Kneipe. Auf der anderen Seite der Straße gesteht sich Dimitri mit einer Mischung aus Verzweiflung und Erleichterung ein, dass Maxim nicht der Führertyp ist, zu dem er glaubte, ihn erzogen zu haben, keiner, der Entscheidungen trifft und sich in diesem elenden Leben gegen alle Widrigkeiten seinen Weg nach oben bahnt. Er ist ein Schwächling. Steht im Schatten der anderen drei. Sie setzen sich in Richtung Gribojedow-Kanal in Bewegung. Dimitri benötigt keine außergewöhnliche Intelligenz und Beobachtungsgabe, um zu erkennen, wie dumm die Kumpel seines Sohnes sind. Und dazu noch unvorsichtig. Sie kommen überhaupt nicht auf den Gedanken, dass jemand sie beschat ten könnte. Sie gehen den Kanal entlang. Einer will seine leere Bierflasche ins Wasser werfen, doch die Flasche trifft auf ein am Ufer festgemachtes Boot und zerschellt am Bootsrand. Alle vier lachen und reden laut. Dimitri verspürt einen Druck auf der Brust. Die zwiespältige Erleichterung von vor wenigen Minuten weicht immer mehr einem Gefühl von Verzweiflung, je näher die jungen Leute der Lomonossowa-Straße kommen. Aus einem Gebäude, das in Dimitris Augen gar nicht schmutziger und schäbiger sein könnte, kommt, nachdem er sich vom Pförtner verabschiedet hat, der dann die Tür von innen schließt, ein Mann Arm in Arm mit einem anderen Mann heraus. Bisher hat Dimitri diesem Haus keine Beachtung geschenkt. Er weiß nicht, was sich darin befindet. Sein Verdacht bestätigt sich jedoch sehr schnell. Und deshalb hält er inne, so als hätte er noch die Hoffnung, aus einem Alptraum zu erwachen. Maxim und einer der kahlköpfigen jungen Männer klopfen an die Tür, während die anderen beiden ein Stückchen weiter im Halbdunkel draußen warten. Maxim und der andere gehen hinein. Dimitri schwankt, ob er dem Sohn hinterhergehen soll, aber ihm fehlt der Mut, mit eigenen Augen zu sehen, was bislang nur ein Verdacht war. Er könnte hineingehen und ihn herausholen, wäre er nicht von etwas gelähmt, was er sich zu seiner eigenen Beruhigung als Ermittlungstaktik schönredet. Er ist hin- und hergerissen. Noch glaubt er, er könne leugnen, was sein Sohn dort tut, oder ihm schlimmstenfalls ein falsches Alibi besorgen, wie er es seinen Untergebenen für die Ausübung ihrer beruflichen Aufträge ausstellt. Während er diesen Gedanken nachhängt, bemerkt ihn einer der beiden, die draußen geblieben sind, und sagt etwas zu dem Größeren. Dimitri spielt den Unbeteiligten, zündet sich eine Zigarette an und geht weiter, beobachtet aber die Tür aus der Entfernung. Er darf seinen Sohn nicht aus den Augen verlieren. Er muss aufpassen, wann er herauskommt. Die Warterei ist eine Qual, umso mehr, als er nicht weiß, wie lange er wird warten müssen, und weil er sich inzwischen das Schlimmste vorstellt. Diesmal muss er sich beherrschen, um nicht hineinzugehen und seinen Sohn mit Gewalt herauszuholen. Nach vierzig Minuten erscheint Maxim in Begleitung eines Mannes. Dimitri spürt, wie ihm die Knie weich werden. Von weitem kann er das Gesicht des Mannes nicht erkennen. Er ist groß und schlank und macht Anstalten, nach rechts zu gehen und dann in die Lomonossowa-Straße einzubiegen, doch Maxim überredet ihn, geradeaus in Richtung der Kasaner Kathedrale zu gehen. Der Mann lächelt. Der junge Mann mit dem kahl geschorenen Kopf, der mit Maxim in das Haus hineingegangen war, kommt gleich nach ihm heraus und gesellt sich zu den beiden, die draußen gewartet haben. Alle drei folgen Maxim und dem Mann, ohne zu merken, dass auch ihnen jemand folgt. In den schattigen Kolonnaden seitlich der Kathedrale bleibt Maxim stehen und sagt etwas zu dem Mann, worauf dieser erstaunt reagiert. Es entbrennt eine Diskussion. Die drei anderen kommen dazu. Zuerst schüchtern sie das Opfer ein, und der Mann verstummt, weil ihm klar geworden ist, dass er in eine Falle geraten ist. Er sieht sich um. Es ist niemand da, den er um Hilfe bitten kann. Kein Mensch in der Nähe. Dimitri sieht er nicht. Die drei beschimpfen und demütigen ihn. Maxim sagt nichts. Er weiß, dass das Opfer nicht um Hilfe rufen wird. Er gehört zu der diskreten Sorte, die kein Aufsehen wollen. Und bevor der Mann sich wehren oder weglaufen kann, versetzt ihm der größte der jungen Männer, der in der Kneipe seinen Kumpan

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