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Dreimal Liebe

Dreimal Liebe

Titel: Dreimal Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carina Bartsch
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versuchten um sich zu greifen. Der Schaum auf der Wasseroberfläche leuchtete weißlich im Schein des Halbmondes und umrahmte die Konturen der Strömung. Wenn ich mich auf das Rauschen der Brandung konzentrierte, konnte ich sogar das Knistern hören. Es war laut um mich herum. Und doch war es still.
    »Bitte.«
    Ich schloss die Augen, hörte den Klang ihrer schwachen Stimme, als würde sie neben mir stehen. Jede Sekunde, die ich nicht bei ihr verbrachte, wurde zur Nahrung für das Geschwür in meinem Magen. Noch vor einer halben Stunde hatte ich an ihrem Bett gesessen, beobachtet, wie ihr Brustkorb mehr und mehr den sanften Rhythmus des Schlafes fand, bis ich das Gefühl des Erstickens nicht mehr ausgehalten hatte. Raus. Einfach nur raus. Für einen kurzen Zeitraum all dem Elend entfliehen. Frische Luft atmen, meine Gedanken sortieren, meine Augen und mein Herz von ihrem ständigen Anblick einen Moment erholen.
    »Jan, bitte …«
    Meine Frau. Eigentlich sollte sie hier sein, mit mir gemeinsam auf das Meer hinunterblicken, so wie es ihr Wunsch gewesen war. Aber die lange Reise hatte sie viel zu sehr erschöpft. Genau hier, vor neun Jahren, hatten wir uns kennengelernt. Ich mit meinen ewigen Bindungsängsten war einer Frau begegnet, die binnen weniger Tage eine vollkommen gegensätzliche Furcht in mir geweckt hatte: Die Angst, jemanden vielleicht nie wieder zu sehen.
    Zu Anfang waren es ihre charmanten Grübchen, die mandelförmigen Züge ihrer dunklen Augen und die sinnliche Statur ihres Körpers gewesen, die mich bei bloßem Ansehen spüren ließen, wie lächerlich ich war, wenn ich jemals gedacht hatte, ich könnte alles in meinem Leben kontrollieren. Als sie mir den Blick in ihr liebliches und gleichzeitig starkes Inneres gewährte, war ich endgültig so verloren wie ein kleiner Junge auf dem Dach eines Hochhauses.
    Bis heute gehörte ihr mein Herz. Nicht einmal die Krankheit hatte etwas an meinen Gefühlen ändern können, wenn sie auch schaffte alles andere zu zerstören. Denn jetzt, so viele Jahre später, würde es vielleicht an dem gleichen Ort enden, an dem es begonnen hatte. Ich konnte und wollte mich nicht damit abfinden, dass wir den Kampf verloren hatten. Und doch wusste ich es, spürte es in jeder Faser meines Körpers.
    Sonja hatte es schon so viel früher begriffen als ich.
    »Jan …«
    Meine Finger krallten sich in meine Kopfhaut. »Hast du auch nur die geringste Vorstellung, was du von mir verlangst?«
    Niemals hatte ich Kinder gewollt. Gott, was hatte ich diese kleinen Wesen furchtbar gefunden. Andauernd machen sie in die Windel, kreischen herum, heulen am laufenden Band und hören am Ende doch nicht auf das, was man ihnen sagt. Warum also sollte man sich so etwas freiwillig anschaffen?
    Nach fünf Jahren Beziehung mit der Liebe meines Lebens hatte ich die Antwort auf einmal gewusst: Weil man eine Familie sein und das Glück perfekt machen wollte.
    Wir waren umgezogen, in eine größere Wohnung, und vor zweieinhalb Jahren hatte sie mir schließlich einen Sohn geschenkt. Fynn. Er besaß ihre Augen und die gleichen zarten Gesichtszüge, nur seine Nase erinnerte eindeutig an mich.
    Wie sich zeigte, sollten sich all meine Vermutungen bewahrheiten: Er machte beinah im Stundentakt die Windeln voll, plärrte zu jeder Tageszeit und hörte auf kein einziges Wort, das ich zu ihm sagte. Doch genauso wie er war, war er vollkommen. Von heute auf morgen drehte sich unser Leben um diesen kleinen Wurm. Aus meinem Sportwagen wurde ein Kombi, aus unserem Fußboden ein quietschendes Minenfeld von Spielzeugen, aus meiner teuren High-Fi-Anlage ein Ort, an dem man wunderbar seine Marmeladenfinger abschmieren konnte, und ehe wir uns versahen, wurden wir drei eine Familie, die ich um nichts in der Welt mit meinem alten Leben hätte eintauschen wollen.
    Niemals hätte ich geahnt, dass unsere Idylle so ein abruptes Ende finden und wir schon bald mehr Zeit in kahlen Krankenhausfluren verbringen würden als in unserem Wohnzimmer. Nicht in meinen schlimmsten Alpträumen hatte ich mir vorgestellt, dass der Tag kommen würde, an dem ich diesen braunen Kinderaugen sagen musste, dass die Mama krank war.
    »Jan, ich glaube zu wissen, was ich von dir verlange. Und trotzdem bitte ich dich darum.«
    Ich blickte in den nachtschwarzen Himmel und spürte Tränen über meine Wange laufen. Der Kontrast der heißen Flüssigkeit zu dem kalten Wind brannte leicht auf meiner Haut. Sonja und ich waren nie gläubige Menschen gewesen, hatten die

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