Dreimond - Das verlorene Rudel
schienen den guten Mond mit Haut und Haaren verzehrt zu haben und so war jede Farbe, jedes Licht aus dem nachtschwarzen Tal verschwunden. Fiona vernahm nur das lauernde Schleichen und das gierige Hecheln der Biester. Aus irgendeinem Grund wusste sie, die damals, heil und behütet, im Forsthaus auf keinen ihrer Sinne gewettet hätte, dass es dieses Mal vier Werwölfe waren. Sie wartete. Lauschte mit pochendem Herzen, wie die Bestien näherschlichen, und vertraute darauf, dass Lex und Serafin wieder zur rechten Zeit dazwischengehen würden.
Bestimmt jede Sekunde … Jetzt gleich … Ja, wann denn endlich?
Die Feinde preschten los, Fiona umschloss krampfhaft den Felsbrocken in ihren Händen, da sprangen Lex und Serafin aus ihrem Versteck zwischen den Steinen. Keine Sekunde zu früh. Fiona nahm nur noch schnelle Schatten wahr, merkte aber bald, dass die Gegner dieses Mal schwerer zu besiegen waren. Die Zähne gefletscht stürzten die Wölfe übereinander, und endlich, als ein Donnern laut wie ein Paukenschlag ertönte, hatte Serafin den Ersten niedergestreckt. Plötzlich löste sich eines der Tiere aus dem Gewirr und stürmte auf Fiona zu.
Sie hob ihren Stein und holte aus, als sich Lex von hinten auf den Gegner stürzte. Der Feind war ihr so nah gekommen, dass sie aller Dunkelheit zum Trotz, erkennen konnte, wie Lex seine Zähne in die Schultern des Gegners schlug, bis dieser ächzend zu Boden ging. Nun stand er über dem besiegten Gegner und sah sie fragend an. Ein zweiter Donner ertönte, und weil Fiona nicht recht wusste, was Lex von ihr wollte, hob sie schließlich, fast verlegen, die geballte Faust, wie um ihm zuzujubeln.
Da wandte sich der Braune erleichtert von ihr ab und eilte zurück, um Serafin beizustehen. Wie Schattenspiele sah es aus, als Freunde und Feinde sich aufeinanderwarfen. Angestrengt starrte Fiona auf die Szene, erkannte schließlich, wie Lex einen weiteren Wolf zu Boden riss, als sich aus der Dunkelheit ein neuer Gegner hinterrücks auf ihn stürzen wollte. Serafin stieß den Feind gerade noch zur rechten Zeit beiseite.
Sie schaffen es, sie schaffen es bestimmt!, betete sie zum Himmel, als der erste, grelle Blitz die Nacht erhellte und ihr nur für Sekunden eine böse Wahrheit zeigte.
Blanke Angst kroch ihr den Nacken empor. Im gleißenden Licht hatte sie die Wolfsleiber gesehen, die wie große Spinnen den zerklüfteten Felsen entlang krochen, um sich von oben auf Lex und Serafin zu stürzen.
»Passt auf …!«, rief sie den Freunden zu, doch die waren zu sehr in ihren Kampf vertieft. Da schleuderte Fiona ihren Stein krachend gegen die Felsenwand und rannte mitten ins Kampfgewirr, um Lex und Serafin zu warnen.
*
Die Wächter am Steinhang des Sintgrunds blickten verwundert auf, als sie die weiße Wölfin hinkend näher kommen sahen. Neuschnee brauchte keine Menschenworte, um ihnen ihre Nachricht mitzuteilen.
»Alkarn …! Etwas stimmt nicht mit Alkarn!«
Ein Angriff der Lanzburger? Schon rasten drei der fünf Wolfswächter, die den Ausstieg aus dem Felsental bewachten, zur Königsburg, ihrem Leitwolf beizustehen.
Es war Neuschnee ein Leichtes, den ersten der beiden Übrig gebliebenen mit ihren scharfen Zähnen auszuschalten. Der andere starrte die Alkarnswölfin noch entgeistert an, als ein junger, heller Wolf aus dem Wald brach und ihn mit vollem Schwung den Abhang hinunterstieß.
Neuschnee nickte Carras zu und blickte sich suchend um. Wo blieb Blitzschweif?
*
»Weg hier!«, rief Fiona den Freunden zu.
Endlich drehte sich der Schwarze nach ihr um. Er musste ihre Warnung gehört haben, rührte sich jedoch nicht vom Fleck.
Sie verstand.
Die Wölfe der Sichel stürzten sich von den Steinhängen, als Fiona ihre Hände in den pechschwarzen Wolfspelz krallte und sich auf Serafins Rücken schwang.
Gerade noch rechtzeitig rannte er los, vorbei an Lex, der sofort von seinem Gegner abließ und ihnen folgte. Hinter sich hörten sie das Donnern von Steinbrocken, die die Feinde bei ihrem Sprung in die Tiefe mit sich rissen.
Fiona blickte zurück, und sah, wie die gekrümmten Schatten sich vor Wut jaulend aufrafften, die Verfolgung aufzunehmen.
Als sie den Kopf wieder nach vorn wandte, fand sie sich vor einer Mauer von zehn, fünfzehn dunklen Wolfsleibern wieder, die knurrend, geifernd den Ausgang aus dem Felsspalt versperrten. Serafin hielt nicht an, sprengte geradeaus, als wollte er sie alle gleichzeitig zum Kampf auffordern. Doch kurz bevor sie in die aufgerissenen
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