Dreimond - Das verlorene Rudel
weitere Erklärung.
*
Alles war vorbereitet. Alles getan, was möglich schien. Jetzt sprachen sie kein Wort mehr miteinander, saßen sich einfach schweigend gegenüber – zwischen den engen, hoch aufragenden Felsen, in deren Schutz sie auf die Feinde warten würden.
Fiona betrachtete die Wolfsmänner forschend, wartete darauf, dass sich etwas an ihnen wandelte, dass es passierte. Lex und Serafin starrten vor sich hin.
Träge stille Minuten lang tat sich nichts.
Doch mit einem Schlag hoben sie die Köpfe und sahen zum Himmel.
Fiona folgte ihrem Blick.
In diesem Moment befreite sich der volle Mond langsam und anmutig von den dichten Wolkenkleidern. Sein zartes Licht berührte lockend und tastend den Stein, bis es steil in die Felsspalte drang.
Jetzt.
Sie presste sich an den Stein, als das Mondlicht die Pupillen der Wolfsmänner traf, ihre Augen weiter, größer formte, ihre Glieder streckte, wölbte und ihre Gestalt rasend schnell verwandelte.
Fiona spürte ihre Lippen zittern, doch als die beiden Wölfe vor ihr standen und sie es wagte, ihnen ins Gesicht zu sehen, war jede Angst verflogen. Etwas war anders als beim letzten Mal. Diesmal gab es keinen Zweifel.
Fiona kannte die ruhigen, klugen Augen des schwarzen Wolfs, kannte die wilden, trotzigen des braunen. Sie schreckte nicht zurück, als die riesenhaften Tiere ihre Köpfe, wie als Vertrauensbeweis, an ihrem Körper rieben.
Stattdessen strich sie über den glatten, glänzenden Pelz des einen und grub die Hände in das raue, braune Fell des anderen.
Der Mond verschwand hinter den schweren Wolken und das Tal versank in Dunkelheit, als Fiona in der Ferne tiefes, drohendes Grollen aus unzähligen Mäulern hörte. Und bald darauf das dröhnende Poltern des Gerölls, das die Feinde auf ihrer Jagd den Fels hinunter mit sich in die Tiefe rissen.
*
Wie wildes Kriegsgetrommel klangen die rasenden Pfoten der Wölfe in Bluters Ohren. Weiter, weiter, die Steilwand hinunter, denn unten wartete die Rache, wartete Schattenklaues Tod. Es war die rechte Nacht für einen Kampf ums Leben. Die drückend schwere Luft, das tintenschwarze Tal und der ferne Donner, der aus der Ferne zu ihnen drang – all das konnten nur Schicksalszeichen sein.
Bluter erreichte als einer der Ersten den Grund des Kessels. Endlich! Es war seine Chance. Die anderen großen Krieger, Alkarn, Horniss und Eisenfell, waren seltsamerweise noch nicht aus dem Roten Turm gekommen und Bluter hatte keine Sekunde länger auf sie warten wollen. In einer Nacht wie dieser zählten keine Hierarchien mehr, heute würde jeder Wolf für sich unterm Himmel jagen.
Bluter wurde langsamer und die ungeduldigen Jungtiere eilten hechelnd an ihm vorbei, den Sintgrund zu erkunden. Er wusste, in dieser Hast würden sie keine Beute finden. Er spürte, es war vorherbestimmt, dass er, nur er, den Schwarzen tötete .
Bald durchkämmten die Wertiere suchend den hohen Farn, teilten sich auf, um jede Ecke des Tals zu erforschen. Bluter blieb für einen Augenblick stehen, sah ihnen zu, witterte, lauschte, und begriff, dass hier etwas nicht stimmte. Die Wölfe eilten zu wirr, zu ziellos durcheinander, obwohl sie doch nur einer Fährte folgen sollten. Aber der Duft von Blut und Schweiß drang aus beinahe jeder Ecke des nächtlich kalten Felsentals.
Er schloss die Augen. Ihn würde das nicht täuschen. Es war nicht der Geruch der Bluttaufe, der für ihn von Bedeutung war. Er brauchte nur einer Spur zu folgen, einem Duft, den er zwischen tausend anderen ausmachen konnte. Er hatte sich in all den Jahren aufs Tiefste in sein Wesen gegraben.
Schattenklaue, dich würde ich überall finden …!
*
Fiona stand allein inmitten der Felsspalte, als die dunklen Gestalten zweier fremder Tiere leise und witternd näherkamen. Sie hatten sie aufgespürt und hielten fast schon triumphierend auf die vermeintlich sichere Beute zu.
Fiona rückte nicht vom Fleck, sah ihnen trotzig entgegen – und atmete zutiefst erleichtert aus, als Lex und Serafin endlich wie Blitze hinter den Steinen hervorschossen. Innerhalb von Sekunden hatten sie die Feinde erledigt, ehe sie sich wieder im Schatten der Steine verbargen.
Wir müssen schnell sein , hatte Serafin gesagt. Nur so haben wir vielleicht eine Chance.
Fiona sog zitternd die Nachtluft ein.
Bis jetzt klappte ja alles ganz gut …
Wieder verharrte sie in der Dunkelheit, bis sie die nächsten Wölfe kommen hörte. Sehen konnte sie sie nicht. Die schwarzen Wolkenberge
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