Dreimond - Das verlorene Rudel
gruben sich in sein Maul, verformten es zu einer wilden Fratze, und ein gellendes Brüllen durchfuhr das Tal, bevor er dem schwarzen Wolf nachsetzte.
Er schoss durch die Reihen der jüngeren Wölfe, jagte seinem Rivalen hinterher und sah ihn bald vor sich. Aber warum rannte der Schwarze nicht so schnell, nicht so zackig wie sonst?
Plötzlich begriff er. Es war das Ding, das Menschending, das Schattenklaue hemmte!
Bluter raste voran. Jetzt lag er mit dem schwarzen Wolf auf einer Länge. Wenn er nur wegen ihr nicht kämpfen wollte, musste er sie wohl dorthin schicken, wo sie Schattenklaue und ihn nicht mehr stören konnte …! Er biss nicht nach Schattenklaue, sondern nach dessen Reiterin.
Kreischend presste sie sich an den Schwarzen.
Bluter schnellte ein zweites und ein drittes Mal mit aufgerissenem Maul nach vorn, als ein ohrenbetäubendes Krachen das Tal erschütterte, endlos widerhallte, und seinen Kopf beinahe zum Zerbersten brachte. Entsetzt fuhr er herum, und sah, dass der Blitz in eine der letzten, stolzen Kiefern im Sintgrund gefahren war. Sterbend stürzte der Stamm beiseite und stieß dabei gegen die kahle Felsenwand.
Er heulte auf.
Feuer, da war Feuer!
*
Fiona nahm die züngelnden Flammen im Wipfel des knorrigen Baumes wahr, sah, wie der Feind, der ihr eben noch eiskalt nachgestellt war, angstvoll die Augen aufriss; wie die Wölfe vor den Flammen scheuten und selbst Serafins Körper ein Zucken durchlief. Sie strich dem Schwarzen über das wie Stacheln aufgestellte Nackenhaar – und sprang mit einem Satz von seinem Rücken. Sofort rasten ihr die ersten Wölfe nach und hielten inne, als sie begriffen, dass ihre Beute so wahnsinnig war, auf die flammende Fichte zuzueilen.
Keuchend erreichte Fiona den Baum. Sie hangelte sich an dem schräg am Felsen lehnenden Stamm hinauf, verbissen, zielstrebig und ohne auf das Knurren und Jaulen zu achten, das unter ihr immer lauter wurde. Zwar hielten der beißende Brandgeruch und die auflodernden Flammen die meisten der Werwölfe in Schach. Für ein paar besonders mutige Tiere aber war die Gier zu jagen scheinbar stärker als die Angst vorm Feuer. Sie warfen sich mit aller Kraft gegen den ächzenden Stamm.
Fiona verlor das Gleichgewicht, schwankte bedrohlich, ihr Stock verhakte sich in einer Astgabel und bewahrte sie gerade noch vor dem Sturz in die Tiefe. Sie sah hinunter in die aufgerissenen Mäuler, bemerkte, wie ihre Feinde die Klauen in den toten Baum gruben und es war ihr, als würde die wilde, geifernde Wut der Werwölfe sie eher versengen, als das aufprasselnde Feuer über ihr.
Sie warteten doch nur auf einen einzigen Fehler von ihr! Und der, so viel war klar, wäre nicht wieder gutzumachen. Fiona schloss für einen Moment die Augen, atmete tief durch – dann stieß sie einen trotzigen Schrei aus und robbte weiter den Flammen entgegen.
Es war jetzt heiß, so heiß, dass Gesicht, Arme und Hände zu glühen schienen. Sie kämpfte sich so weit vor, wie es gerade noch möglich war, ohne sich zu verletzen, hielt ihren Stock in den Brandherd, bis er auflodernd Feuer fing. Sie hieb mit aller Kraft in die Flammen, dass ein Schauer glühender Funken auf die Erde niederging, und die Wölfe aufheulend zurückwichen und auseinanderstoben.
Und da flog auch schon Lex auf sie und das verhasste Feuer zu. Mit sicherem Instinkt musste er die winzige Chance erkannt haben, die sich ihnen bot.
Sie sah ihn kommen – und sprang.
Mit einem schrillen Schrei landete sie auf seinem Rücken, er strauchelte kurz, dann jagten sie davon.
Fiona beugte den Kopf tief über seinen Nacken, krallte sich mit der Linken in sein Fell und hielt mit der Rechten den lodernden Stock wie eine Siegestrophäe über sich. Feuerfunken wirbelten auf und regneten auf die staubtrockenen Grasbüschel und das dürre Buschwerk. Als sie den fast heruntergebrannten Stock über den steintrockenen ausgemergelten Talboden schleifen ließ, brannte es neben und hinter ihnen wie Zunder.
»Weiter …«, keuchte sie, »… weiter, Lex, schneller …«
Sie hörte seinen vor Anstrengung rasselnden Atem, spürte, wie auch ihn langsam aber sicher die Kräfte verließen. Wie lange würde er noch durchhalten können? Und wo um Himmels willen war Serafin?
*
Zügellos breiteten sich die Flammen aus.
Die Wölfe rannten wie Gehetzte umher, manche panisch flüchtend vor dem Feuer, andere immer noch angetrieben von unstillbarer Jagdlust.
Während die Welt um sie im Chaos zu versinken schien,
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