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Dreimond - Das verlorene Rudel

Dreimond - Das verlorene Rudel

Titel: Dreimond - Das verlorene Rudel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viola L. Gabriel
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nichts mehr an dem Versprechen ändern, das sie den Wölfen entlockt hatte. Das bedeutete, dass ihr noch mehr als zwei Wochen blieben, in denen sie die mystischen Wesen, von denen sie so viel gelesen hatte, nun aus nächster Nähe beobachten konnte. Sie war eine Forscherin, womöglich die erste auf diesem Gebiet. Und außerdem – sie lächelte verlegen – wollte sie möglichst viel Zeit mit dem Schwarzen verbringen …
    Keine Sekunde dieser kostbaren Zeit würde sie ungenutzt verstreichen lassen.
    Kurzerhand hatte sie das kleine rote Notizbuch, in dem sie mit mäßigem Elan Kochrezepte gesammelt hatte, zum Werwolfverzeichnis umfunktioniert, in das sie akribisch jede noch so kleine Eigenart ihrer drei Gäste notierte und die ein oder andere Zeichnung von Serafin anfertigte. Mit dem Büchlein in den Taschen ihrer Kleider und einem Bleistift hinterm Ohr blieb sie täglich von früh bis spät ihren geheimnisvollen Gästen auf den Fersen.
    Dass Wolfsmenschen nichts wichtiger war als ihre Freiheit, gehörte zu ihren ersten Notizen.
    Denn Lex hatte sich bald entschieden, statt im warmen Haus zu übernachten, sein Schlaflager unter dem alten Apfelbaum hinterm Forsthaus aufzubauen. Mit den ersten Sonnenstrahlen stand er auf, wusch sich im kalten Brunnenwasser und verschwand für Stunden im Johannisforst.
    Ohnehin schienen die Wolfsmenschen in einer besonderen Verbindung zu dem dunklen Gehölz zu stehen.
    Oft, wenn Fiona zu später Stunde in Serafins Schlafgemach linste, saß der Wolfsmann scheinbar tief in Gedanken versunken auf der Fensterbank und sah sehnsüchtig, wie es ihr vorkam, hinaus in den Wald, wo die dunklen Bäume im Wind auf und ab wogten. Serafin, Lex und Carras gingen häufig zusammen in den Wald – und das nicht unbedingt, um zu jagen, denn im Forsthaus gab es mehr denn je zu essen.
    Als Rosa Zwieker einige Tage nach dem Überfall ihres Manns zaghaft an Fionas Tür geklopft und sich mit offenbar schlechtem Gewissen erkundigt hatte, ob etwas dran sei an bestimmten Gerüchten, hatte Fiona der besorgten Frau nur freundschaftlich auf die Schulter geklopft und erklärt, sie hätte Zwieker längst vergeben. Nur durch ihn hätte sich ihr letztendlich ein großer Wunsch erfüllt.
    Sichtbar erleichtert war Rosa, noch ehe sie in der Kirche Gott für den glimpflichen Ausgang der Geschichte dankte, auf Fionas Wunsch zum Ortsvorsteher Jakob geradelt, um eine größere Essensration für sie zu erstreiten. Isaaks Tochter sei doch viel zu dünn.
    Fiona kochte seitdem jeden Abend für Serafin, Lex und Carras. Nicht weil sie sich dazu verpflichtet fühlte, sondern weil ein solches Essen jede Menge Möglichkeiten bot, mehr über die Werwölfe zu erfahren. Ernüchternderweise waren die Essgewohnheiten dieser Fabelwesen allerdings langweilig menschlich. Sie aßen wirklich alles, was Fiona ihnen auftischte. Sie scheuten nicht einmal vor Speisen zurück, die sie – zunächst sanft, dann aber reichlich – mit Knoblauch, Spitzwegerich oder geweihtem Wasser versah, Zutaten, auf die die Dämonenwesen in ihren Büchern stets auf außerordentliche Weise reagierten. Doch nichts, aber auch gar nichts passierte.
    Nur eine wirklich neue Erkenntnis lieferten die gemeinsamen Mahlzeiten. Wolfsmenschen verfügten über außerordentlich gute Reflexe. Fiona war aufgefallen, dass Serafin, als ihr einmal der Wasserkrug aus den Händen gerutscht war, erstaunlich schnell an ihrer Seite stand und das Glas kurz vor dem Aufprall abfing. Seit jenem Abend ließ sie immer mal wieder Kleinigkeiten vom Esszimmertisch purzeln, nur um mit Verzückung festzustellen, wie außerordentlich schnell Wolfsmenschen im Fangen waren.
    Die meisten neuen Erkenntnisse, die sie im Werwolfsverzeichnis niederschrieb, verdankte Fiona allerdings Carras. Sie konnte nicht nur notieren, dass Werwölfe über einen erstaunlichen Geruchssinn verfügten und sich außerdem ausgesprochen gut mit Tieren verständigten – Hausschwein Desiree folgte Carras auf Schritt und Tritt –, auch war der zutrauliche Wolfsjunge der Einzige, den sie ohne Bedenken ausfragen konnte.
    Als Fiona Carras fragte, weshalb er Desiree beim Versteckspiel – zur Frustration der Sau – von Tag zu Tag schneller entdeckte, erklärte der Wolfsjunge frei heraus, das liege daran, dass der Vollmond näher rücke. Hochzufrieden vermerkte Fiona DIE KRAFT DES WHERWOLFS NIMMT MIT WACHSENDEM MOND ZU!
    Neben dem Stift und dem Notizbuch hatte sie an diesen erkenntnisreichen Tagen auch die Große Enzyklopädie

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