Dreimond - Das verlorene Rudel
ruhiger. Wenn sie ihn so vor sich sah, fiel es ihr schwer, zu glauben, dass dieser Mann der Wolf war, der letzte Nacht mit blutigem Maul über ihr gestanden hatte …
Sie zuckte zurück, als Lex ein Auge einen Spaltbreit öffnete. Seine Gesicht nahm einen gequälten Ausdruck an. »Fiona, was willst du?«
»Also, wegen gestern Nacht …«, setzte sie verlegen an.
»Wann gestern Nacht?«, murmelte der Wolf schlaftrunken.
»Na, als du das Reh gerissen hast …«
»Du bist dort gewesen?«
Lex klang verunsichert. Mit einer Hand fuhr er sich durchs Haar, als könnte er so seine Gedanken ordnen.
»Das weißt du nicht mehr?«, flüsterte sie.
Er riss die Augen auf.
»Wenn ich dir irgendwas getan habe, dann …«
»Nein, nein!«, stellte sie auf der Stelle klar. Die Sache wurde ihr allmählich peinlich. Hätte sie bloß nicht damit angefangen.
»Du hast nur … Ach, du hast gar nichts getan. Mir geht es gut. Ehrlich!«
Er nickte, doch noch immer sah er sie durchdringend an. »Hör mal, Kleine. In solchen Nächten sind Wesen wie wir unberechenbar. Merk dir das. Dann beherrscht der Instinkt den Verstand, kapiert? Also bleib in Zukunft bei Vollmond zu Hause!«
Skeptisch sah sie ihn an. Der Kerl war doch nicht etwa besorgt um sie?
»Nicht jeder von uns«, fuhr er fort, »hat sich so gut im Griff wie Serafin. Gerade deshalb schmeckt’s mir nicht, dass er so einfach abhaut.«
»Meinst du, Serafin ist in Gefahr?«
Er grinste spöttisch. »Keine Bange. Die Wölfin wird deinen Helden schon nicht mit Haut und Haaren verspeisen.«
»Warum willst du ihn dann suchen?«
Lex lachte leise in sich hinein und schloss die Lider. Fiona fürchtete nach einer Weile ohne Antwort, er sei nun tatsächlich eingeschlafen.
»He!«, machte sie sich bemerkbar. »Warum du ihn suchen willst, will ich wissen!«
»Weil dieser Serafin ein ausgefuchster Glückspilz ist«, murmelte Lex im Halbschlaf.
Mit verschränkten Armen und einem sich weiter und weiter verfinsternden Blick lauschte sie seiner verschlafen wirkenden Stimme.
»Serafin, du Gauner! Machst dich mit ihr kurzerhand aus dem Staub. Ihr Duft war einfach göttlich! Den ganzen Wald hat er erfüllt und doch habe ich sie nicht gefunden. Sie muss eine echte Schönheit sein, deine Wolfsfrau. Ich beneide dich, du hast sie jetzt bestimmt für dich ganz allein. Ach, ich bin schon ewig keiner Schönheit mehr begegnet …«
Unbehaglich zupfte sie an ihrem Nachthemd herum, bis sie schließlich eine Entscheidung traf, sich zu Lex hinunterbeugte, ihm energisch unter die Arme griff und mit ganzer Kraft – aber eher mäßigem Erfolg – versuchte, ihn auf die Beine zu ziehen.
»Wenn sie dermaßen schön ist, solltest du dich aber nicht so leicht geschlagen geben! Wir beide gehen jetzt auf der Stelle los und suchen Serafin und diese … diese Frau. Ein bisschen schnüffeln kannst du ja wohl noch.«
Halb von Fiona gezogen, halb aus eigener Kraft, wankte Lex schlaftrunken aus dem Haus.
Gerade wollte Fiona ihn schelten, sich doch nicht so gehen zu lassen, als ein großer, schlanker Mann eilig aus dem Wald kam. Serafin!
Sofort ließ sie Lex los, der taumelnd zu Boden ging, und lief dem Anführer der Wölfe entgegen.
»Wo bist du gewesen? Ich … also … wir haben uns Sorgen gemacht!«
Serafin, der sonst so gelassen und freundlich war, eilte mit finsterem Gesicht an ihr vorbei und half Lex mit einem Ruck auf die Beine. »Reiß dich zusammen und komm! Wir verschwinden von hier – sofort!«
Verwirrt lief Fiona den beiden nach.
Lex rebellierte müde und verständnislos. »Aufbrechen? Jetzt? Komm schon, lass uns zuerst zu Kräften kommen. Denk an Carras, der Junge ist völlig …«
»Wo ist Carras?«, fuhr Serafin ihm ins Wort.
»Im Haus. Er … er schläft!«
»Ich werde ihn tragen«, entschied Serafin und lief, gefolgt von Lex, zum Haus.
Fiona stellte sich rasch in den Türrahmen, versperrte ihnen den Weg und sah Serafin fragend an.
Tiefe Ringe verliefen unter seinen dunklen Augen, sein Gesicht wirkte noch schmaler als sonst.
Für einen Moment glaubte Fiona, er wollte sie beiseite stoßen.
»Mädchen, geh zur Seite, es eilt!«, forderte er sie stattdessen auf.
Trotzig erwiderte Fiona seinen eindringlichen Blick. »Sag mir erst, was los ist!«
Unvermittelt atmete Lex tief ein und drehte sich in Richtung Wald. »Riecht ihr das? Sie ist hier!«, rief er begeistert.
Serafins Gesicht erstarrte.
»So schnell …«, raunte er.
Aus dem Wald trat eine hochgewachsene,
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