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Dreimond - Das verlorene Rudel

Dreimond - Das verlorene Rudel

Titel: Dreimond - Das verlorene Rudel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viola L. Gabriel
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Zug … Heiße Gier erfüllte ihn, als ihm überraschend der Geruch von Menschen- und Pferdeschweiß in die Nase stieg. Rasch fuhr er sich noch einmal übers Gesicht, beäugte seine Finger, um sicherzugehen, dass kein fremdes Blut verriet, dass er heute Nacht zum Tier geworden war. Er griff nach seiner Weste, die er vorhin zum Trocknen über den Felsen geworfen hatte. Das samtblaue fein bestickte Kleidungsstück hatte vor nicht allzu langer Zeit noch einem reichen Jüngling gehört. Einem, der dumm genug gewesen war, seine Liebste bei Vollmond zu einem Picknick in den Wald einzuladen. Bluter lächelte. Er hatte viel Spaß mit den beiden gehabt.
    Zwei Reisende, in deren Gesichtern Hast und Sorge standen, bogen um die Ecke. Ein knochiger, alter Mann und ein schlaksiger Jungspund saßen auf den Rücken kleiner, stämmiger Pferde, welche offensichtlich für gewöhnlich auf dem Feld zu dienen hatten. Als die Männer auf ihn zuritten, bemühte er sich, besonders stolz, dumm und selbstverliebt dreinzuschauen – ein Gesichtsausdruck, für den man unter den Menschen zumeist als besonders einflussreich galt.
    Als die Gäule nur noch ein paar Schritte entfernt waren, sträubten sie sich, machten Anstalten, an dem Wolfsmann vorbeizugaloppieren. Die Reiter ließen sich nicht beirren, brachten die nervösen Pferde zum Stehen, stiegen ab und banden die Tiere an. Nachdem sie Bluter kurz zugenickt hatten, fingen sie mit den Händen das erfrischende Quellwasser auf und löschten ihren Durst.
    »So früh schon unterwegs? Ihr seht müde aus!«, sprach er den Jüngeren mit Engelsmiene an. Der Gedanke, dass er, Mitglied der Schwarzen Sichel , unerkannt mit diesen Bauerntölpeln plaudern konnte, bereitete ihm einen Heidenspaß. Die Menschen erkannten es nicht, das Brandmal des Rudels, das jedem Wolfsmann das Fürchten lehrte. Noch nicht.
    »Ach, m-müde ist gut!«, stotterte der Bursche und seufzte. »Früh morgens hat man uns zum Pf-Pfarrer nach Coms geschickt und zur dortigen Wache, weil doch bei uns in Liebstein …«
    Ein finsterer Blick des Älteren, dem es offensichtlich nicht gefiel, dass sein Partner so viel plauderte, brachte den Jüngeren zum Schweigen.
    »Die Herren kommen aus Liebstein?« Bluter strich sich über seinen kurzen, rotbraunen Kinnbart »Das trifft sich gut. Dort soll es ein gutes Wirtshaus geben?«
    Er erinnerte sich nur zu gut an die zerborstene Flasche in den Händen des Säufers.
    »Das Wirtshaus ist heute geschlossen«, erklärte der ältere Kerl knapp und wischte sich Wassertropfen von seinem ergrauten Bart.
    »N-normalerweise sind wir hier in Liebstein gastfreundlich«, fühlte sich der Jüngere scheinbar gemüßigt hinzuzufügen, » a-aber in Kurts Kneipe beraten sie heute, was zu tun ist wegen gestern Nacht!«
    Der Wolfsmann verkniff sich ein Lachen darüber, wie sehr der Tod des schäbigen Säufers die Dorfleute verängstigt haben musste.
    »Was ist denn gestern Nacht passiert in Liebstein?«
    »Wir hatten einen Todesfall«, brummte der Ältere kurz angebunden.
    »Einen seltsamen Todesfall!«, ergänzte der Jüngere sichtlich erschaudernd. Der Ältere schielte noch finsterer zu seinem Begleiter.
    Bluter versuchte, betroffen auszusehen, als er mit gespieltem Schrecken einen Schritt zurücktrat. »Plagt etwa eine Krankheit, eine Seuche das Dorf?«
    »Das nicht«, erwiderte der Ältere abweisend.
    »Hannes!«, rief der Zweite aufgebracht. »Der Mann hat ein Recht darauf, zu erfahren, dass …«
    »Mich würde vielmehr interessieren, woher der Fremde …«, grummelte der Erste misstrauisch, doch der Jüngere stammelte heiser weiter, »… dass eine Bestie in der Gegend ihr Unwesen treibt!«
    Bestie? Bestie – das klang in gewisser Weise noch wilder, noch gefährlicher als Teufel! Bluter, die Bestie von Liebstein, das passte zu einem wie ihm, einem, den man landein, landaus fürchten sollte! Rasch fing er sich wieder.
    » W-wie meinen?«, ahmte er das lächerliche Gestammel des Heißsporns nach. »Eine Bestie? Ein Wolf? Ein Bär vielleicht?«
    »Mehr als das! Ein Wolfsgigant! Ein Teufelstier!«, erklärte der Jüngere aufgebracht.
    »Du hättest zu Hause bleiben sollen«, seufzte der Alte.
    »Herzliches Beileid«, entgegnete Bluter heuchlerisch. »Und vielen Dank für die Warnung!«
    Er hatte genug gehört, hatte seinen Spaß mit den Männern gehabt. Nun war es Zeit, Neuschnee zu diesem Forsthaus zu folgen, um nach dem Rechten zu sehen.
    Er hatte seine sture Gefährtin schon viel zu lang allein

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