Dreimond - Das verlorene Rudel
hier.«
Beschämtes Schweigen, verlegenes Räuspern.
Lennart und Kurt, der Wirt, nickten sich stumm zu, hoben den Leichnam an und trugen ihn, gefolgt von Rosa, zu Zwiekers Hütte.
»Hört mir zu«, bat der Ortsvorsteher die Menge nun mit zitternder Stimme. »Beruhigt euch fürs Erste! Dem Verstorbenen und seiner Witwe zuliebe. Es ist tiefe Nacht. Legt euch hin, verschließt eure Türen ! Morgen wollen wir entscheiden, was zu tun ist.«
*
Erschöpft hockte sich Nanna nieder, als sich die Menge unter verschwörerischem Wispern allmählich auflöste. Die meisten hatten es eilig, sich in Sicherheit zu bringen.
Und doch hatte Nanna Angst, Angst, dass die Wut auf Fiona erneut aufflammen würde. Angst, dass das Fräulein tatsächlich jener Kreatur Unterschlupf gewährte, die Zwiekers Leben auf dem Gewissen hatte.
Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Emerald ernst zu ihr herübersah. Es schien, als wollte er zu ihr gehen, doch da kam sein Vater und zog ihn mit sich.
Nanna wandte den Blick von den beiden ab und dachte an Fiona, die jetzt sicher nichts ahnend in ihrem Bett lag und schlief. Sie wollte sie warnen. Am besten sofort. Doch was würde es auslösen, wenn sie in dieser mondhellen Nacht für alle sichtbar, zum Forsthaus eilte?
Sie würde die Wut und den Argwohn der Dorfleute nur anstacheln – wer wusste schon, mit welchen Folgen für sie und das Mädchen.
Nein, sie musste vorerst hierbleiben und alles tun, damit sich die Dörfler beruhigten.
»Oh, ihr Geister«, betete sie. »Bitte beschützt mein Fräulein!«
Kapitel 7
Schattenklaue
F iona vergrub sich verschlafen unter ihrer Bettdecke, unwillig, die Vorhänge zur Seite zu ziehen und die grelle Morgensonne einzulassen, die ein für alle Mal beweisen würde, dass die unglaubliche und lang ersehnte Vollmondnacht bereits Vergangenheit war.
Stundenlang hatte sie auf Serafin, Lex und Carras gewartet. Vergeblich.
Desirees aufgeregtes Quieken aus dem Schweinestall kündigte Besuch an. Sofort schlüpfte Fiona aus ihrem warmen Bett, zog eine Strickjacke aus dem Kleiderschrank, streifte sie über ihr Nachthemd, huschte barfuß aus dem Zimmer und die Treppe hinunter.
Kaum hatte sie den Flur erreicht, schwang die Haustür auf. Lex hatte sie mit einem Fußtritt geöffnet. Das Haar noch zerzauster als sonst, das Hemd nur halb zugeknöpft, trat der Wolfsmann, mit einem bewegungslosen Carras auf den Schultern, ins Forsthaus und marschierte, ohne die Tür zu schließen, vorbei an Fiona zur Küche. Sie spähte kurz aus dem Haus, ehe sie die Tür schloss – keine Spur von Serafin!
Fiona eilte zu Lex und dem Kleinen. Er ließ den bewusstlosen Carras unsanft auf die Küchenbank fallen.
»Was soll das? Was ist mit Carras?«
Lex zuckte müde mit den Schultern. »Was soll schon sein mit ihm? Ist plötzlich eingepennt. Wenn der Vollmond untergeht, sind wir Wölfe nun mal völlig fertig.«
Carras rollte sich auf der Küchenbank zusammen.
Sie lächelte erleichtert.
»Wo ist Serafin?«, war die nächste Frage, die ihr auf der Seele brannte.
Stöhnend lehnte sich Lex gegen die Kachelwand. »Wenn ich das wüsste. Er war mit Carras jagen , plötzlich hat er sich aus dem Staub gemacht. Wir haben vergeblich nach ihm gesucht.«
»Er ist einfach so verschwunden?« Das passte nicht zu Serafin, der Carras doch so gut wie niemals aus den Augen ließ.
»Nee du, der hatte schon seine Gründe …«, erwiderte Lex und gähnte herzhaft.
»Was für Gründe?«, drängte sie.
»Gib Ruhe, Zwergin, es war ’ne lange Nacht.«
»Was – für – Gründe?«, forderte Fiona unbeeindruckt.
»Im Wald«, gab sich Lex geschlagen, »war noch jemand unterwegs.«
»Wer?«
»Eine weiße Wölfin. Serafin ist ihr hinterher. Auch wir …«, er deutete auf Carras, der im Tiefschlaf schmatzte, »… sind ihrem Duft gefolgt – vergebens. Serafin muss sie offenbar eingeholt haben.«
»Ich geh ihn suchen!«
»Nicht nötig«, winkte Lex ab. »Ich hab nur Carras hier abgegeben. Gleich gehe ich zurück in den Wald.«
»Du? Du bist doch todmüde!«
»Schwachsinn!« Er schnaubte verächtlich. »So schnell kriegt man einen wie mich nicht klein. Ich brauch bloß ein paar Minuten Ruhe, dann kann’s weitergehen.«
Mit diesen Worten schloss Lex die Augen und ließ sich auf den Küchenboden sinken.
Na gut, sie würde also warten müssen …
Verstohlen ging Fiona einen Schritt näher an den Wolfsmann heran. Seine Züge, halb vom Haar verdeckt, entspannten sich und sein Atem wurde
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