Dreimond - Das verlorene Rudel
Wolfsfrau, die brüsk ihre Arme verschränkte, und Breitborke, einen bulligen Kerl, auf dessen Stirn nun eine Zornesfalte stand, kannte Serafin aus früheren Tagen. Die drei anderen – junge, kräftige Burschen – waren ihm unbekannt. Sie aber wussten, wer er war.
»Der Abtrünnige! Der Nestbeschmutzer!«, zischten sie, als er Schritt für Schritt näher kam . Mit Abscheu starrten sie ihn an. Kaum war Serafin vor den Wolfskriegern stehen geblieben, schnellte Fangzahn vor.
»Zum Teufel mit dir!«, fluchte er und spuckte dem Verräter verächtlich ins Gesicht.
Serafin wischte sich mit der Hand über die Wange, ohne den Blick abzuwenden.
»Du …!«, brüllte Fangzahn heiser vor Zorn.
»Alkarn wird darüber entscheiden, was mit ihm geschehen wird!«, ging Neuschnee dazwischen. »Nicht du, Fangzahn, hast du verstanden?«
Der Narbige hielt für einen Moment inne, dann senkte er den Kopf. »Verzeiht mir, Neuschnee, Alkarnswölfin. Ich habe Euch noch nicht begrüßt. Aber als ich den da gesehen habe …!«
»Nur zu verständlich!«, polterte Breitborke und schob sich mit geballten Fäusten an Beller vorbei. »Wer bist du, dass du noch Neuschnees Schutz verdienst? Hast du nicht deinen Stamm verraten? Deinen eigenen Kommandanten getötet? Warum, Schattenklaue, warum? Wir alle haben dir vertraut und du …!«
»Du bist nicht mehr wert als ein stinkender Mensch«, rief einer der jungen Krieger aus vollem Halse. Serafin schwieg.
»Beruhigt euch!«, befahl Neuschnee, bevor sie sich streng an Bluter wandte. »Würdest du deinen Kriegern freundlicherweise erklären, wie das Gesetz der Sichel lautet? Sie scheinen es vergessen zu haben!«
Betont langsam stellte Bluter den Kragen seiner feinen, samtenen Menschenweste auf. Offensichtlich gefiel es ihm, dass die Wolfsfrau ihn um Hilfe gebeten hatte.
»Hört mal her, Leute!«, verkündete er schließlich mit seiner tiefen, geschmeidigen Stimme. Lässig schlenderte er um Serafin herum. »Wahrscheinlich habt ihr recht! Wahrscheinlich ist dieser schmutzige Verräter …«, nun stand er hinter Serafin und grub eine Hand in dessen Schultern, »… nicht mehr wert als ein stinkender Mensch. Allerdings …« Er zog die Hand zurück, als sich Serafins Muskeln spannten. »… ist und bleibt er auch ein Wolf! Und das Gesetz der Sichel besagt nun mal, dass jeder Wolf das Recht hat, vorm Hohen Gericht auszusagen, bevor er seine verdiente Strafe erhält.«
Die Krieger schwiegen.
Neuschnee nickte Bluter zufrieden zu.
»Und«, fügte dieser böse grinsend an, »wir alle wissen, was für eine Strafe das sein wird …«
»Sein Tod!«, rief Fangzahn gierig.
»Das hast jetzt du gesagt«, entgegnete Bluter und blickte mit Unschuldsmiene zur verärgerten Wolfsfrau.
»Genug!«, beendete Neuschnee das verschwörerisch klingende Geflüster. »Verratet mir lieber, was Krieger der Dritten Kohorte in dieses Waldstück führt. Ihr habt uns wohl kaum hier erwartet, oder?«
»Gute Frage«, pflichtete ihr Bluter bei. »Fangzahn, du hast die Kohorte geführt, während ich fort war. Erstatte mir Meldung!«
»Ich habe mein Bestes gegeben, um dich zufriedenzustellen, Bluter«, erklärte der Narbige unterwürfig und wandte seinen Blick von Serafin ab. »Wir sind viel unterwegs gewesen. Im Norden mussten wir unser Revier behaupten. In den letzten Wochen haben wir uns drei Menschendörfer vorgenommen!«
»Gut gemacht«, lobte Bluter und klopfte Fangzahn auf die Schulter.
»Und was mussten wir sehen, als wir endlich nach Hause kamen?«, fuhr der Narbige mit bebender Stimme fort. »Die Ratten von Lanzburg schänden unser Land! Sie wollen vor unserem Wald einen Weiler errichten! Alkarn hat uns sofort ausgeschickt, um das Problem zu … lösen!«
Bluter fletschte die Zähne.
»Ein Überfall also! Würde mir auch mal wieder guttun …«
»Kommandant, ihr könntet uns begleiten«, raunte Fangzahn. »Ihr wärt uns sicher eine große Hilfe.«
Bluters Augen fingen an zu leuchten. Sehnsuchtsvoll blickte er zu Neuschnee.
»Ich weiß nicht …« Die Wolfsfrau deutete auf Serafin. »Ich will Alkarn nicht länger warten lassen.«
»Es wäre Alkarn sicher eine Freude, wenn Ihr, seine Wölfin, Euch selbst von unseren Fortschritten gegen Lanzburg überzeugen könntet«, erklärte Beller im Brustton der Überzeugung.
»Wie viel Mann seid ihr?«, wandte sich Neuschnee zögernd an Fangzahn.
»Wir sechs, dazu Ginster und Graufuß, die vorausgegangen sind, um die Lage auszukundschaften. » Macht also
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