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Dreimond - Das verlorene Rudel

Dreimond - Das verlorene Rudel

Titel: Dreimond - Das verlorene Rudel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viola L. Gabriel
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die Stimme ihres Liebsten. »Versteh doch, der Sturm der letzten Tage hat uns aufgehalten. Ich muss jetzt arbeiten!«
    Die Jungen neben ihm glucksten.
    »Dann eben nicht!«
    Mit feuerrotem Kopf schüttete sie den Apfelsaft auf die Wiese und stapfte von dannen. Was für ein undankbarer Kerl! Sie hatte nur für Anton Kuchen gebacken. Nur für ihn war sie überhaupt aus Lanzburg hierhergekommen, obwohl der Vater es verboten hatte. Sie hatte es sich romantisch vorgestellt, ihm dabei zuzusehen, wie er hier mithalf, ein neues Dorf aufzubauen. Aber, ach, er hatte niemals Zeit für sie!
    »Mona! Mona! Für wen ist denn der Kuchen?«
    Kichernd wuselten ein paar Kinder um sie herum.
    »Ihr könnt ihn haben …«, seufzte sie. Die Kinder jubelten.
    »Na, Mona, was ist?«
    Ingrid lächelte mild. Sie trug einen großen Weidekorb unterm Arm, aus dem sie Butterbrote an Kinder und Arbeiter verteilte.
    »Ach, es ist wegen Anton«, murrte Mona und blickte ein wenig eifersüchtig auf Ingrids tadellos hochgesteckte goldblonde Haarpracht.
    »Bestimmt hat er bald Feierabend!«, sagte diese wie immer gut gelaunt. »Also schau nicht so böse drein, Mona, sondern freu dich auf das, was kommt!«
     
    *
     
    Das Menschendorf war zum Greifen nah. Serafin stand umgeben von Wolfskriegern auf einem kahlen Hügel, den nichts als eine blattlose Esche zierte, und blickte zu dem Weiler hinunter. Gut ein Dutzend Menschenmänner sägten und hämmerten an vier unfertigen Holzhäusern. Frauen und Kinder waren bei ihnen. An einer Stange auf dem größten der Baugerüste wehte eine mannshohe Fahne im Wind. Auf blau-weißen Streifen prangte ein goldenes Wappen mit einer Lanze, auf der eine Schwalbe thronte; das Zeichen von Lanzburg, der Menschenstadt, die ans Revier der Schwarzen Sichel grenzte und zu deren Landkreis der Weiler offenbar gehörte.
    Serafin wandte den Kopf, als er ein Geräusch vernahm.
    Zwei Wolfsmänner erklommen von der anderen Seite den Hügel. Der Linke sah mit einem überaus grimmigen Blick herauf, den seine auffällig dunklen, dichten Augenbrauen noch verstärkten. Der Rechte war größer und schlanker, sein Haar silbergrau, obschon er keine dreißig Jahre zählte.
    Serafin erkannte sie beide, auch wenn sie zu seiner Zeit noch nicht die rote Bauchbinde getragen hatten. Es waren Ginster und Graufuß.
    »Neuschnee! Bluter!«, rief ihnen Letzterer hocherfreut zu. »Das nenn ich mal eine Überraschung!«
    Er erblickte Serafin – und jede Freundlichkeit wich aus seiner Stimme. »Aber ihn hatte ich noch weniger erwartet …!«
    »Später!«, knurrte Bluter ungeduldig. »Wie ist die Lage?«
    »Wie ich sehe, wisst ihr schon Bescheid. Ginster und ich haben die Baustelle einmal umrundet. Neunzehn Männer, sieben Frauen und acht Kinder«, berichtete Graufuß, auch wenn er wohl nur schwer seinen Blick von Serafin abwenden konnte.
    »Leichte Beute«, meinte Bluter trocken.
    »Da hast du recht«, stimmte ihm der Grauhaarige zu. »Aber mit unserem Kommandanten und der Alkarnswölfin an unserer Seite wird es ein großes Fest werden. Ihr jagt doch mit uns, oder? Aber …«, er runzelte die Stirn, »… was ist mit Schattenklaue? Er wird doch nicht …«
    »Blitzschweif wird ihn bewachen«, erklärte Neuschnee gelassen.
    »Blitzschweif …?«
    Ein Raunen ging durch die Dritte Kohorte.
    »Aber, Mutter! Ich will kämpfen!«, sagte der Wolfsjunge.
    »Der Sohn des Rudelführers? Allein mit Schattenklaue …?«, entfuhr es Beller ungläubig.
    »Er wird ihn natürlich nicht allein bewachen«, entgegnete Neuschnee scharf und brachte mit einer abrupten Handbewegung ihren Sohn, der schon wieder etwas hatte einwenden wollen, zum Schweigen. »Ginster, du wirst hierbleiben und ihm Gesellschaft leisten.«
    Wortlos nickte der Krieger. Sein finsterer Blick jedoch übertraf selbst die Unglücksmiene des Königssohns.
    Über Neuschnees Lippen huschte ein kurzes, verstohlenes Lächeln, als sie von Blitzschweif zu Serafin blickte. Fragend sah Serafin sie an, als Fangzahn seine Bauchbinde löste und sie mit einer tiefen Verbeugung Bluter überreichte.
    »Nun, da Ihr zurück seid, Kommandant, solltet Ihr, nicht ich …«
    »Natürlich! Gern!« Sofort griff Bluter nach dem Band und begann jenes Ritual, das Serafin aus früheren Zeiten nur zu gut kannte.
    Bluter reckte seine Arme in den Himmel. Mit beiden Händen hielt er Fangzahns Bauchbinde.
    »In meinen Fäusten – das rote Band! In meine Haut Kains Mal gebrannt! In meinem Herzen die Schwarze Sichel  – bis zum

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