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Dreizehn bei Tisch

Dreizehn bei Tisch

Titel: Dreizehn bei Tisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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zu verlassen. Die ausgetüfteltsten Pläne werden dadurch Stümperwerk. Nein, Monsieur Poirot, ich beschuldigte mich nicht selbst. Oh, meinen Sie, ich wüsste nicht, in welcher Richtung Ihr Hirn jetzt arbeitet? Wer ist denn der natürliche Verdächtige? Der überall als Taugenichts verschriene Neffe.«
    Er lehnte sich schmunzelnd in die Polster seines Sessel zurück und schlug die Beine übereinander.
    »Ich werde Ihre kleinen grauen Zellen vor unnötiger Arbeit bewahren, Monsieur Poirot. Sie brauchen nicht herumzuhetzen, um jemanden ausfindig zu machen, der mich in der Nähe sah, als Tante Jane erklärte, dass sie auf keinen, auf gar keinen Fall an diesem Abend ausgehen würde. Ja, ich befand mich in Hörweite. Na, wie steht’s nun? Kam der gewissenlose Neffe in einer blonden Perücke und einem Pariser Hut als Frau verkleidet hierher?«
    Der neugebackene Lord Edgware schien sich köstlich zu amüsieren. Poirot – mit der bekannten schiefen Kopfhaltung – sah ihn aufmerksam an; ich dagegen fühlte mich im höchsten Grad unbehaglich.
    »O ja, ich hatte einen Grund – einen sehr guten Grund sogar, Monsieur Poirot. Und ich werde Ihnen jetzt eine besonders wertvolle und schwerwiegende Auskunft geben. Gestern Morgen habe ich meinen Onkel aufgesucht. Warum? Um Geld von ihm zu verlangen. Nicht wahr, da lecken Sie sich die Lippen? Um Geld zu verlangen – prägen Sie es sich gut ein. Und ich musste gehen, ohne es bekommen zu haben. Am Abend, am selben Abend, stirbt Lord Edgware.«
    Er gestattete sich eine Pause, offenbar in der Erwartung, dass Hercule Poirot zu dem Gehörten Stellung nehmen würde. Aber dieser schwieg.
    »Ich fühle mich durch Ihre Aufmerksamkeit ungemein geschmeichelt, Monsieur Poirot. Und Captain Hastings macht den Eindruck, als hätte er ein Gespenst gesehen oder als erwarte er es in jeder Sekunde. Mein Lieber, seien Sie nur nicht allzu gespannt… Also, wo waren wir stehen geblieben? Ach ja, bei dem gewissenlosen Neffen, der den Verdacht schnöde auf die verhasste Tante lenkt. Mit zarter, mädchenhafter Stimme gibt er sich dem Butler als Lady Edgware zu erkennen und trippelt mit winzigen Schritten an ihm vorbei. ›Jane!‹, schreit mein teurer Onkel bei meinem Anblick. ›George!‹, lispele ich. Dann schlinge ich meine Arme um seinen Nacken und bohre ihm das Taschenmesser ins Rückgrat. Über die nächsten Einzelheiten können wir, da sie rein medizinischer Art sind, hinweggehen. Es genügt zu erwähnen, dass die falsche Dame das Haus verlässt und sich mit dem Gedanken zu Bett begibt, gute Arbeit geleistet zu haben.«
    Er lachte, stand auf, um sich einen neuen Whiskysoda einzugießen, und kehrte hierauf gemächlich zu seinem Sessel zurück.
    »Klappt fein, wie? Aber sehen Sie, jetzt flaut das Ganze ab, jetzt naht die Enttäuschung. Denn nunmehr sind wir beim Alibi angelangt, Monsieur Poirot.« Er stürzte den Inhalt des Glases hinunter. »Ich finde Alibis immer sehr genussreich. Sooft ich eine Detektivgeschichte lese, lauere ich stets vom ersten Kapitel an gierig auf das Alibi. Ich habe Ihnen ein ausgezeichnetes zu bieten: Mr, Mrs und Miss Dortheimer, außerordentlich reiche und außerordentlich musikalische Herrschaften. Sie haben eine Loge im Covent Garden. In diese Logen pflegen sie junge Herren mit aussichtsreicher Zukunft zu bitten. Ich, Monsieur Poirot, bin ein solcher junger Herr – einen besseren können sie sich überhaupt nicht wünschen. Ob ich die Oper liebe? Ehrlich gesagt, nein. Aber ich nehme gern die Einladung zum reichhaltigen Dinner in Grosvenor Square an und lehne auch das anschließende Supper nicht ab, selbst wenn es mich zum Tanz mit Rachel Dortheimer verpflichtet und ich noch zwei Tage hinterher mit einem lahmen Arm herumlaufe. Das ist nun sehr traurig, Monsieur Poirot: Während nämlich Onkels Leben mit seinem Blut verströmte, tuschelte ich fröhliche Nichtigkeiten in das brillantengeschmückte Ohr der blonden – pardon – der schwarzen Rachel. Und deshalb, mein verehrter Monsieur Poirot, darf ich es mir erlauben, so freimütige Reden zu führen. Ich habe Sie doch hoffentlich nicht gelangweilt? Haben Sie sonst noch Fragen?«
    »Ich kann Ihnen versichern, dass Sie mich nicht im Mindesten gelangweilt haben«, ergriff Poirot endlich das Wort, »aber da Sie so liebenswürdig sind, möchte ich noch eine kleine Frage stellen.«
    »Bitte.«
    »Seit wann, Lord Edgware, kennen Sie Carlotta Adams?«
    Diese Frage hatte der junge Herr offenbar nicht erwartet. Er richtete sich aus

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